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Das Jahr 1968 war für die USA ein Wendepunkt. Eine ganze Reihe gesellschaftlicher Gruppen begehrte gegen die herrschenden Verhältnisse auf: die Bürgerrechtsbewegung erstarkte und die junge Generation rebellierte gegen die konservativen Werte ihrer Eltern. Der Druck wuchs in der Folge des Vietnamkriegs, der kein Ende zu nehmen schien. Die Probleme des Landes waren so offensichtlich, dass in dieser Zeit ein französisches Reisebüro mit dem Spruch warb „See America, while it lasts!“.
Dafür, dass sich die öffentliche Meinung gegenüber dem Vietnam-Krieg veränderte, spielte die Tet-Offensive, die per Fernsehen in nahezu jedes amerikanische Wohnzimmer übertragen wurde, eine wichtige Rolle. Denn es begann sich zunehmend deutlicher abzuzeichnen, dass der von der Regierung immer wieder angekündigte Sieg in der nächsten Zeit nicht zu erreichen sein würde. Die Unterstützung an der Heimatfront sowie das Vertrauen in Präsident Lyndon B. Johnson und seine Regierung gingen stark zurück. Trotzdem war es ein Schock, als Johnson angekündigte, bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten zu wollen. Eine Zäsur war auch der Mord an Martin Luther King Jr., der am 4. April im Memphis erschossen wurde. Sein Tod führte zu einer Radikalisierung der stattfindenden Unruhen und löste landesweite Demonstrationen aus. Nur zwei Monate darauf erschütterte ein weiterer politisch motivierter Mord das Land. Mit dem Demokratischen Präsidentschaftsbewerber Robert Kennedy starb auch die Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Krieges, die sich seine Anhänger von ihm erhofften.
In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre entstand in den USA eine starke Gegenkultur, die Phänomene wie die Rock- und Pop-Szene, den Feminismus und die sexuelle Revolution umfasste. Viele Menschen fühlten sich von dieser Entwicklung und Ereignissen wie den Demonstrationen vom August, die gewaltsam niedergeschlagen wurden, aber auch bedroht, identifizierten das Aufbegehren vor allem mit Drogen, sexuellen Exzessen und Kriminalität. Eine „schweigende Mehrheit“ der Bevölkerung sehnte sich nach Stabilität und Ordnung. Wohl deswegen gewann – für viele Zeitgenossen überraschend – der Republikaner Richard Nixon die Präsidentschaftswahl von 1969. Seine Kampagne hatte vor allem auf traditionelle, konservative Werte gesetzt. Lösen konnte Nixon die großen Probleme des Landes in den folgenden Jahren nicht.
In dieser turbulenten Zeit nahmen die amerikanische Öffentlichkeit und Politik die Ereignisse in der Tschechoslowakei nicht als vorrangig wahr. Die Invasion der Warschauer Pakt-Staaten erschien als Störung der internationalen Lage, aber nicht als drängendes Problem. So beschränkte sich die offizielle Reaktion der Regierung auf rhetorischen Protest. Johnson hoffte auf Entspannung in den Beziehungen zur UdSSR und wollte diese nicht durch eine scharfe Stellungnahme gefährden. Der Appell der tschechoslowakischen Exilgemeinde, die amerikanische Regierung möge sich mit allen Mitteln für die Wiederherstellung von Demokratie und Freiheit in ihrem Heimatland einsetzen, blieb ungehört.
Brinklay, Alan, „1968 and the Unraveling of Liberal America.“ In: Carole Fink, Philipp Gassert & Detlef Junker (Hrsg.), 1968: The World Transformed. Washington D.C. 1998, 219-236.
Michálek, Slavomír, Rok 1968 a Československo. Postoj USA, západu a OSN. Bratislava 2008.
Kaiser, Charles, 1968 in America: Music, Politics, Chaos, Counterculture & the Shaping of a Generation. New York 1988.
Patterson, James T., Grand Expectations. The United States, 1945–1974. New York 1997.
Walsh, Kenneth T., „1968: The Year That Changed America Forever“ in: US News, 31.12.2017, zuletzt abgerufen am 27.04.2018.
„To those Czechoslovak refugees who wish to come to us, I declare that our doors are open […],” verkündete der amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968.[1] Auch wenn Johnson sich direkt an die Menschen wandte, die vor den Truppen des Warschauer Pakts flohen, richtete sich seine Aussage eher an die bereits bestehende tschechoslowakische Exilgemeinschaft in den USA, die eine Befreiungskampagne für ihre Heimat führte. Der Druck, den die Exilorganisationen der ungefähr 227 000 in der Tschechoslowakei geborenen Tschechen und Slowaken[2] ausübte, hat weder die amerikanische Immigrations- noch die Außenpolitik merklich beeinflusst. Dennoch war die plötzlich geeinte Stimme der Exilanten laut genug, um zumindest einen Impuls zu rhetorischem Handeln zu geben.
Die tschechoslowakischen Exilanten in den Vereinigten Staaten waren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine zentral organisierte Gemeinschaft, auch vertraten sie keine einheitliche Meinung. Es handelte sich um eine auf der Landkarte weit verstreute und politisch höchst heterogene Gruppe, die unterschiedliche Grade von Bindung und Interesse an ihre Heimat pflegte. Ein großer Teil der Menschen, die nach der kommunistischen Machtübernahme vom Februar 1948 emigriert waren, war in die Vereinigten Staaten gegangen und veränderte dort die Struktur der damaligen Diaspora grundlegend. Anders als die Migranten, die im Laufe des 19. Jahrhunderts überwiegend aus ökonomischen Gründen ins Land gekommen waren, waren diese Männer und Frauen vor allem politische Flüchtlinge, die eine stark antikommunistische Einstellung mitbrachten. Sie versuchten, sich so schnell wie möglich in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Trotzdem war es genau die Generation von '48, der es gelang, das tschechoslowakische Pressewesen in den USA zu revitalisieren und in den nächsten Jahrzehnten zu einer Exilpresse auszubauen.
Zwei ihrer Zeitungen werden hier vorgestellt. Beide waren auf Initiative von Männern entstanden, die vor den Kommunisten geflüchtet waren und sich auch im Exil direkt von den Geschehnissen in der Tschechoslowakei betroffen fühlten. Mit der Analyse der von ihnen begründeten Organe wird selbstredend nicht der Anspruch erhoben, eine erschöpfende Darstellung der Rezeption des Prager Frühlings in der tschechoslowakischen Exilgemeinschaft in den USA zu liefern. Vielmehr ist es das Ziel, zwei divergierende, aber dennoch repräsentative Positionen zu veranschaulichen, deren Vertreter – bei allen Unterschieden – doch nach ähnlichen Mustern auf die Krise reagierten.
Eine der wichtigsten Exilzeitungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die amerikanisch-liberal ausgerichtete Wochenzeitung Americké Listy [Amerikanische Blätter]. Herausgegeben vom Exilanten Frank Švehla erschien die Zeitung zwischen 1962 und 1989 in New York und bot Berichte und Kommentare über die politische Situation in der Tschechoslowakei sowie der ganzen Welt. Einer der zahlreichen Autoren war der berühmte tschechische Journalist und Schriftsteller Ferdinand Peroutka. Dieser hatte nach dem Ersten Weltkrieg über das Werden des eigenständigen Staates berichtet und war eine zentrale Figur der intellektuellen Landschaft nach 1945. Im Gegensatz dazu vertrat das Monatsblatt Zpravodaj [Reporter], das in Chicago zwischen den Jahren 1956 und 1974 herausgegeben wurde, eine dezidiert christlich-konservative Einstellung. Gegründet von Jaroslav J. Rabas als Hauptorgan des Verbands der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago [Sdružení československých exulantů v Chicagu], lehnte die Zeitung während des Prager Frühlings jede Art linker Politik strikt ab. Die deutlichste Stimme des Monatsblatts war zweifellos der Politologieprofessor und ehemalige Widerstandskämpfer Radko Klein-Jánský, der unter dem Pseudonym Emil Ludvík bekannt wurde.
Die Auflagenzahlen der Exilzeitungen sind schwer zu bestimmen und geben die Größe der Exilleserschaft – da ein Exemplar meistens von mehreren Personen oder sogar Familien gelesen wurde – nur begrenzt wieder. Die große Anzahl der herausgegebenen Exilzeitungen weist jedoch darauf hin, dass ein Bedarf an Berichterstattung aus der Tschechoslowakei existierte.
„Beinahe die ganze Weltpresse ist sich einig, dass in der Tschechoslowakei derzeitig etwas passiert“, berichtete Americké Listy voller Hoffnung eine Woche nach der Ernennung Alexander Dubčeks zum Ersten Sekretär der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KSČ).[3] Trotzdem konnte man aus der Zeile, die vielleicht nur zufälligerweise an die Anfangsverse des populären Lieds von Buffalo Springfield „For What It‘s Worth“ erinnert – „There's something happening here / What it is ain't exactly clear“ – eine gewisse Skepsis herauslesen. Dass eine neue Ära anbrach, wurde im Januar selbst von der liberalen Zeitung bezweifelt. Dubček, der später zur Symbolfigur des Reformprozesses wurde, war in jeder Hinsicht eine unbekannte Variable, dessen einspaltige Kurzbiografie Americké Listy erst am Ende des Monats abdruckte.
Sein langer Aufenthalt in der UdSSR löste Misstrauen aus, da er auf eine loyale Einstellung gegenüber Moskau hindeutete. So meldete die Zeitung Zweifel am Engagement des neuen ersten Mannes in der Partei für die Entspannung des politischen Klimas an und vermutete, dass die Liberalisierung zwar fortgesetzt werden würde, jedoch eher wegen der herrschenden Situation als auf Betreiben Dubčeks.[4] Vertrauen entstand erst Ende Januar, als der Erste Sekretär sein „menschliches Antlitz“ zeigte. „Täglich fährt er in die Fabriken, an die Universitäten zu den Studenten, zu den Bergmännern in die Gruben. Er verteilt Lächeln und schüttelt Hände. Er macht Versprechen und hält Reden“, schrieb die Zeitung und lobte Dubčeks „amerikanischen“ Stil Politik zu machen.[5] Trotzdem wurde der Parteichef der KSČ weiter als „der neue Herrscher der ČSSR“ tituliert und die Autoren warteten, ob er seine Versprechen tatsächlich realisieren würde. „Man muss zu Taten kommen“, gab Americké Listy im gleichen Absatz bekannt, „und das ohne Verzögerung“[6]. Die Abschaffung der Zensur Anfang März war ein solcher Schritt, der die Zuversicht wachsen ließ: „[...] wer bis jetzt zweifelte, musste [...] das Gefühl haben, dass diesmal tatsächlich etwas passiert“[7]. Im Sommer gewannen Dubček und seine Reformen bei der liberalen Exilgemeinschaft an allgemeiner Beliebtheit. Peroutkas, zugegebenermaßen nicht komplett unkritischer Kommentar über die Verhandlungen in Čierna nad Tisou wurde mit Bildern illustriert, die Dubček in einem öffentlichen Schwimmbad zeigten. Der Untertitel sprach von einem Mann, der die Bewunderung der ganzen Welt auf sich ziehe und von einem „Mann des Volkes“.[8]
Das christlich-konservative Milieu in Chicago, dessen Einstellung sich auf den Seiten des Zpravodajs zeigte, hatte eine ganz andere Vorstellung vom neuen Parteichef. Für Rabas und Jánský lösten der unbekannte Faktor Dubček und der starke Zweifel an einer politischen Reform von „oben“ eine radikale Ablehnung aus, die sich oft in einer zugespitzten Rhetorik widerspiegelte. Bereits im Januar wurde Dubček als „Zögling Moskaus“ charakterisiert, der genau wie alle seine Vorgänger nichts anderes als ein „Bürokrat und Dogmatiker“ sei.[9] Eine Hoffnung auf bessere Zeiten konnte man aus dem Monatsblatt nicht herauslesen. Dubček wurde im Zpravodaj als sowjetischer Vasall dargestellt, der den „zu milden“ Novotný ersetzen und die Liberalisierung so schnell wie möglich einstellen sollte. Dementsprechend beklagte die Zeitung, dass die liberale westliche Presse die „Nachricht mit solcher Begeisterung [präsentiert], als ob es fast um eine Revolution ginge“[10]. Dubček, der besser „russisch als slowakisch spricht“, sei kein zweiter „Befreier“ der Nation, sondern eine Marionette der UdSSR, von der man keine Verbesserung der politischen Lage erwarten solle.[1] Die Aufhebung der Zensur im März 1968, die sich nur schwer in dieses Narrativ einfügte, deutete man als raffinierten Zug Dubčeks, die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen und seine Konkurrenten innerhalb der Partei zu beseitigen. „Die Tschechoslowakei hat also einen neuen, allmächtigen Herrscher,“ meinte Jánský in der Aprilausgabe, „der sich von seinen Vorläufern nur darin unterscheidet, dass er sich anderer, viel raffinierterer Methoden bedient“[12]. Die langsame Zuspitzung der politischen Situation, sowie Dubčeks Angriff auf Presse, Fernsehen und Rundfunk – er hatte die Zeitung Kulturní Noviny [Kulturzeitung] wegen deren „einseitig kritischer Ausrichtung“ einstellen lassen – deutete die Zeitung Zpravodaj als Bestätigung ihrer Theorie, der Demokratisierungsprozess sei nur ein taktischer Schachzug Dubčeks und ein Wunschbild des Westens.[13]
Mit einer militärischen Intervention der UdSSR rechnete aber keine der beiden Seiten. Americké Listy glaubte sogar an die Unterstützung durch die Nachbarländer, die sich dem Liberalisierungsprozess in der Tschechoslowakei anschließen könnten. In einem Artikel wurde die Hoffnung geäußert, dass selbst in Moskau die Studenten auf die Straßen gehen würden um gegen die „Herrschaft der Finsternis“ zu protestieren.[14] Nach dem Treffen in Čierna nad Tisou waren sie überzeugt, dass irgendein Kompromiss erreicht werden würde – auch wenn der Konflikt nicht gelöst werden könnte. Die Invasion setzte diesen Hoffnungen ein Ende; die tschechoslowakischen Liberalen waren schockiert, sie fühlten sich wie gelähmt.[15] „Die Wahrheit siegt – gefährlicher Optimismus“, kommentierte die Zeitung in der zweiten Ausgabe nach der Invasion. „Aber wer weiß? Vielleicht nahm die UdSSR diesmal ihren Mund zu voll [...]“[16].
Da die Konservativen davon überzeugt waren, dass Dubček eng mit Moskau zusammenarbeite, lag ein militärisches Eingreifen der Warschauer-Pakt-Staaten jenseits ihrer Vorstellung. Im Juni konnte man zwar im Zpravodaj lesen, dass die Sowjetunion im schlimmsten Falle Dubček zu Hilfe kommen werde, ob diese Hilfe auch militärischer Natur sein könnte, wurde nicht erwägt. Einen Monat zuvor, als der Parteichef die kritischen Medien gezähmt hatte, war sich Rudolf Kopecký auf der Titelseite des Zpravodaj sicher gewesen, dass eine „Invasion nicht wahrscheinlich ist“, da alles sowieso „in den alten Trott verfällt“[17]. Als schließlich die Panzer des Warschauer Pakts in das Land einrollten, korrigiert der Zpravodaj seine Theorie und stellte den Einmarsch als eine von langer Hand geplante Aktion mit dem Ziel dar, die Verräter innerhalb der Partei auf frischer Tat zu ertappen und zu beseitigen. Moskau sei auf Dubčeks Versagen vorbereitet gewesen, meinte Jánský nach dem Einmarsch, als ob er und seine Kollegen die Invasion schon längst vorhergesagt hätten.[18] Dieser Kurswechsel war jedoch nur eine Camouflage.
Die Erwartungen, die der Prager Frühling in der tschechoslowakischen Exilgemeinschaft weckte, waren auf beiden Seiten des politischen Spektrums stark von zwei historischen Ereignissen bestimmt. Einerseits war dies die Erfahrung der gewaltsamen Unterdrückung des Aufstands in Ungarn 1956. Andererseits spielte die Erinnerung an die Zäsuren der tschechoslowakischen Geschichte eine wichtige Rolle. In das Jahr 1968 fiel nicht nur das Jubiläum der Staatsgründung von 1918, es brachte auch die Jahrestage des Münchener Abkommens und des „Siegreichen Februars“ 1948, die für viele Menschen in und außerhalb der Heimat das Versagen des Westens symbolisierten. Sie leiteten aus dieser Erfahrung den Schluss ab, dass man sich auf eine Rettung aus dem Ausland nicht verlassen könne. In diesem Referenzrahmen war Alexander Dubček, der zur Symbolfigur des Wandels und zum Medienstar avancierte, kaum mit anderen Vertretern eines reformierten Sozialismus wie z.B. Josip Broz Tito, vergleichbar. Seine Person wurde entweder als einzigartig und ziemlich „westlich“ dargestellt, oder die Presse nannte ihn einen cleveren Vasallen Moskaus, der im Auftrag der Sowjetunion und nicht als unabhängiger Akteur handelte.
„Die Veränderung muss von innen kommen“, erklärte die Zeitung Americké Listy, „sonst wird sich Budapest wiederholen“[19]. Mehr als jedes andere historische Ereignis fungierte die Invasion in Ungarn als Warnsignal. Bereits im Januar erschien manchen Kommentatoren die Situation als Déjà-vu, deren tragischer Höhepunkt auf alle Fälle verhindern werden musste. Werde sich alles wie in Budapest weiterentwickeln, meinte ein ungenannter Reformkommunist in einem Interview, werde die Sowjetunion eingreifen müssen. Nur der Staatsapparat könne die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sichern und eine blutige Jagd auf Kommunisten verhindern. „Was dort abläuft“, konnte man Ende März in der Zeitung lesen, „ist nicht nur ein Schritt vorwärts, sondern ein ordentlicher Sprung [...]“[20]. Dass die UdSSR ähnlich wie einst in Budapest eingreifen würde, hielt der Autor für unwahrscheinlich, sei doch die Situation in der Tschechoslowakei aufgrund der Herangehensweise von oben – die Reform wurde durch die KSČ selbst geleitet – gänzlich unterschiedlich. Die Vorstellung, dass nur hochgestellte Parteimitglieder eine grundlegende und friedliche Veränderung der politischen Lage herbeiführen könnten, wurde im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Čierna nad Tisou noch einmal aufgegriffen. Reformkommunisten seien Kommunisten, bemerkte Ferdinand Peroutka. Niemand anderer kenne den Gegner – die Sowjetunion – so gut wie sie, und mit niemandem anderen würde sich der Gegner sonst ernsthaft unterhalten.[21]
Ein weiteres Narrativ, das zur Deutung der laufenden Ereignisse herangezogen wurde, war die demokratische nationale Tradition der Tschechen und Slowaken. So wurde der Reformprozess als Weiterführung des friedlichen Revolutionsverhaltens von 1848 und 1918 gedeutet. In diesem Sinne sahen die liberalen Exilanten die Ereignisse des Frühjahres 1968 in ihrer Heimat als etwas Nationaltypisches an, Josef Martínek sprach sogar von einem möglichen neuen „Rekord in der Freiheitstradition der Tschechoslowakei“[22]. Zusammen mit der öffentlichen Rehabilitierung des ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomáš G. Masaryk – der von der Partei bis dahin als „zu bürgerlich“ betrachtet worden war – schien der Frühling an die glückliche Zeit der Staatsgründung von 1918 zu erinnern. „Die Wahrheit siegt bereits,“ lautete eines der hoffungsvollsten Schlusswörter, das auf das Motto des tschechischen Nationalhelden Jan Hus sowie den Wahlspruch der Ersten Tschechoslowakischen Republik verwies.[23]
Das Jahr 1918 stellte einen mit Hoffnung verbundenen, positiven Bezugspunkt dar. Mit 1938 verbanden sich wiederum Ängste. Aus Furcht vor einem Einmarsch und vor allem nachdem die Invasion tatsächlich stattgefunden hatte, wählten die meisten Autoren dieses Jahr, um die Dramatik der Situation auszudrücken. Die rhetorische Frage nach einem „neuen München“ kam bereits wenige Tage nach der Besatzung auf. „München 1938, März 1939, Jalta, Teheran, Prager Februar 1948, Budapest 1956 und August 1968“, listete die Zeitung trocken auf. „In allen diesen Fällen hat man die Freiheit verkauft. In allen diesen Fällen wurden kleine Länder von größeren gewürgt unter stiller Zustimmung der freien Welt“[24]. In den Augen der liberalen Exilgemeinschaft kam es am Ende genau zu dem, was man von Anfang an hatte verhindern wollen: zur Invasion der UdSSR, einem „zweiten Budapest“ und, aufgrund des passiven Verhaltens des Westens, einem „neuen München“. Die Entzauberung, die der Einmarsch für die hoffnungsvolle liberale Exilgemeinschaft bedeutete, kommt im Artikel „Ende der Illusionen“ zum Ausdruck. „Denjenigen, die die politische und wirtschaftliche Situation in der heutigen Heimat kennen, war bereits alles klar, als sie die Besetzung der Regierung gelesen haben“, schrieb Zdeněk Slavík. „Verräter vom Februar 1948 und alte Aktivisten der grausamen Periode der 50er Jahren, hätten nie die moralische Kraft gehabt dem Kreml [...] zu widerstehen“. „Die Exilanten,“. hieß es weiter, „glaubten und wollten glauben, Dubček sei der Gelobte, der die Nation aus zwanzig Jahren der Finsternis herausführen werde“[25]. In Wirklichkeit sei er aber doch nur ein „Kind Moskaus“, das nur zufälligerweise an die Macht geriet. Die Rhetorik und die Position des Artikels klingen eher nach dem Zpravodaj als nach Americké Listy, was zeigt, wie schwer es für die liberale Zeitung war, die Ausweglosigkeit der Situation einzugestehen. „Wir müssen das Gewissen der ganzen Welt, vor allem aber der Vereinigten Staaten wachrütteln“, verkündete die Zeitung Mitte September. „Wir müssen sie überzeugen, dass eine weitere Duldung eines barbarischen Überfalls auf einen friedlichen Staat [...] gegen alle Grundsätze der Menschlichkeit wäre“[26]. Dieser Appell an die USA, in der Tschechoslowakei zu intervenieren, verband alle Teile der Exilgemeinschaft – auch wenn er unter den Konservativen oftmals deutlicher formuliert wurde.
Der Zpravodaj ging mit Referenzereignissen sparsam um, was auch an der Überzeugung lag, Dubček handele im Auftrag Moskaus. Sowohl die Hoffnung auf eine friedliche Reform als auch die mögliche Konsequenz einer Invasion waren mit der Deutung, die das Blatt entwickelte, grundsätzlich unvereinbar. Vielmehr versuchte es, die Reformbewegung als etwas darzustellen, das sich diametral von dem unterschied, was 1956 in Budapest passiert war. Der Revolutionsversuch in Ungarn war für Jánský und andere genau das – eine gescheiterte Revolution. In der Tschechoslowakei entwickelte sich in ihren Augen indessen eine raffinierte Version des Kommunismus, die noch abscheulicher als ihr Vorläufer schien. Die Berufung auf das Versagen des Westens in der Vergangenheit erschien erst im Nachspiel des Einmarschs, als der Verband der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago das Weiße Haus in einem Telegramm um Hilfe bat: „Wir wenden uns an Sie, geehrter Herr Präsident, damit Sie [...] eine Wiederholung der ungarischen Tragödie aus dem Jahr 1956 [verhindern], und damit Sie mithilfe der [...] Macht der Vereinigten Staaten mit allen Mitteln eingreifen [...]“[27]. In einem längeren Memorandum, das ebenfalls abgedruckt wurde, zählte der Verband die tragischen Ereignissen auf, bei denen die Tschechoslowakei von den Westmächten im Stich gelassen worden war: „Ermutigen Sie nicht die Rote Armee mit dem schweigenden Festhalten an alten Irrtümern, und unheilvollen Abkommen, die zusammen mit München, die dunkelsten Flecken in der Geschichte der westlichen Diplomatie darstellen“[28]. Die Reaktion der Vereinigten Staaten blieb trotz dieser zahlreichen Aufforderungen auf der rhetorischen Ebene. „Warum sollten wir irgendwelche Illusionen haben“, fragte Jánský im Oktober „[...] dass nach Prag die Situation anderes als nach Budapest sein würde?“[29].
Am 21. August wurden die Erwartungen, die die zersplitterte tschechoslowakische Exilgemeinschaft in den USA gehegt hatte, binnen weniger Stunden widerlegt. Das Experiment, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu errichten, scheiterte mit einer Invasion, die zwar viele Beobachter an den Einmarsch in Budapest erinnerte, aber viel weniger Todesopfer forderte. Trotzdem verließen innerhalb eines Jahres etwa 80 000 enttäuschte und verzweifelte Tschechen und Slowaken das Land um sich den vielzähligen Exilgemeinschaften im Westen anzuschließen. Die meisten blieben – trotz der Einladung Johnsons – in Europa.
Filípek, Jan, Odlesky dějin československého exilu, Praha 1999.
Cholinský, Jan, „Radko Klein-Jánský, český patriot a katolický intelektuál v protikomunistickém odboji“ in: Jiří Štancl (Hrsg.), Třetí odboj na Klatovsku a Domažlicku. Sborník příspěvků ze stejnojmenné konference, Klatovy 2015, 156–179.
Cholínský, Jan, „Studená válka a mezníky v českém exilovém hnutí 1948–1989“ in: Distance (2010), Nr. 1, www.distance.cz/rocnik-2010/1-cislo/studena-valka-a-mezniky-v-ceskem-exilovem-hnuti-1948-1989, zuletzt abgerufen am 07.06.2018.
Jaklová, Alena, Čechoamerická periodika 19. a 20. Století, Praha 2010.
Michálek, Slavomír, Rok 1968 a Československo. Postoj USA, západu a OSN, Bratislava 2008.
Nekola, Martin, České Chicago, Praha 2017.
Tigrid, Pavel, Politická emigrace v atomovém věku, Praha 1990.
Americké Listy
Zpravodaj
[1] Johnson, Lyndon B., „Statement of President Johnson on the Admission of Czech Refugees to the United States“, scalar.usc.edu/works/prague-spring-archive/external, zuletzt abgerufen am 12.06.2018.
[2] U.S. Cenus Bureau, „Region and Country or Area of Birth of the Foreign-Born Population: 1960 to 1990“, www.census.gov/population/www/documentation/twps0029/tab03.html, zuletzt abgerufen am 07.06.2018.
[3] „Malé noční interview“ [Das kleine Nachinterview] in: Americké Listy, 12.01.1968, 3.
[4] Vgl. „Prohrála také Moskva?“ [Verlor auch Moskau?] in: Americké Listy, 12.01.1968, 1.
[5] „Zajímavosti z domova“ [Nachrichten aus der Heimat] in: Americké Listy, 26.01.1968, 5.
[6] Ebd.
[7] „Západ obdivuje domov“ [Der Westen bewudert die Heimat] in: Americké Listy, 15.03.1968, 5.
[8] Vgl. Ferdinand Peroutka, „Splnili jsme co jsme vam slibili“ [Wir haben das erfüllt was wir euch versprochen haben] in: Americké Listy, 16.08.1968, 1, 3–4.
[9] „Informační črty,“ [Auskunfstskizze] in: Zpravodaj, 01.1968, 2.
[10] Ebd.
[11] „Ze světa,“ [Aus der Welt] in: Zpravodaj, 01.1968, 2.
[12] Emil Ludvík, „Dubček to zařídí,“ [Dubček wird es schon hinkriegen] in: Zpravodaj, 04.1968, 1.
[13] Vgl. Emil Ludvík, „Dubček odkrývá karty,“ [Dubček zeigt die Karten] in: Zpravodaj, 06.1968, 1, 3.
[14] Vgl. Josef Martínek, „Průlom do monopolu“ [Durburch im Monopol] in: Americké Listy, 22.03.1968, 1.
[15] Vgl. „Sověti přepadli Československo“ [Die Sowjeten überfielen die Tschechoslowakein] in: Americké Listy, 23.08.1968, 1.
[16] „Nový Mnichov“ [Neues München] in: Americké Listy, 30.08.1968, 1.
[17] R. Kopecký, „Události v Československu“ [Ereignisse in der Tschechoslowakei] in: Zpravodaj, 05.1968, 1.
[18] Vgl. Emil Ludvík, „Po Komedii, Tragédie“ [Nach einer Komödie, Tragödie] in: Zpravodaj, 09.1968, 1–2.
[19] M. Zelenka, „Vítáme demokratické hnutí v ČSSR“ [Wir heißen die demokratische Bewegung in der ČSSR wilkommen] in: Americké Listy, 15.03.1968, 2.
[20] Martínek, „Průlom do Monopolu,“ in: Americké Listy, 22.03.1968, 1.
[21] Vgl. Ferdinand Peroutka, „Splnili jsme co jsme vam slibili“ in Americké Listy, 16.08.1968, 3.
[22] Martínek, „Průlom do Monopolu,“ in: Americké Listy, 22.03.1968, 1.
[23] Pavel Javor, „Sedmý březen 1850“ [Der Siebte März 1850] in: Americké Listy, 08.03.1968, 1.
[24] „Nový Mnichov?“ in: Americké Listy, 30.08.1968, 1.
[25] Zdeněk Slavík, „Konec iluzí?“ [Ende der Illusionen?] in: Americké Listy, 30.08.1968, 6.
[26] „Pomožme domovu – dokuď je čas!“ [Der Heimat helfen – solange Zeit ist!] in: Americké Listy, 13.09.1968, 1.
[27] Verband der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago, „Telegram do Bílého domu“ [Ein Telegramm an das Weiße Haus] in: Zpravodaj, 09.1968, 1.
[28] Verband der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago, „Obsah memoranda sdruž. Čs. exulantů presidentu spojených států“ [Der Inhalt des Memorandums des Verbands der Tschechoslowakischen Exilanten dem Präsidenten der Verenigten Staaten] in: Zpravodaj, 09.1968, 2–3.
[29] „Informační Čarty“ [Auskunfstskizze] in: Zpravodaj, 10.1968, 2.
Čierna nad Tisou – ist eine slowakische Kleinstadt im Dreiländereck zwischen der Slowakei, der Ukraine und Ungarn. Vom 29. Juli bis zum 1. August 1968 fanden in der Grenzstadt zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion bilaterale Verhandlungen zwischen Vertretern des sowjetischen Politbüros und der tschechoslowakischen Regierung statt. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Leonid Brežnev, Alexej Kossygin, Nikolaj Podgorny, Alexander Dubček und Ludvík Svoboda. Für die Sowjetunion waren die Verhandlungen der letzte Versuch, dem Prager Frühling und Dubčeks Reformkurs ohne Anwendung von Gewalt Einhalt zu gebieten. Den beiden Seiten gelang, in Čierna nad Tisou zumindest eine kurzfristige Einigung zu erreichen, die wenig später in Bratislava ratifiziert wurde.
Verwendete Literatur:
Schulze Wessel, Martin, Der Prager Frühling. Aufbruch in eine neue Welt. Stuttgart 2018, 271-280.
Alexander Dubček (1921-1992) – war ein tschechoslowakischer Politiker und eine der zentralen Figuren des Prager Frühlings. Dubček wuchs größtenteils in der UdSSR auf, wo sein Vater im Rahmen der „Internationalen Arbeiterhilfe“ als Tischler tätig war. In den 1930er Jahre machte er eine Ausbildung zum Schlosser. 1939 trat er der illegal gegründeten Kommunistischen Partei der Slowakei (Komunistická strana slovenska – KSS) bei und war im antifaschistischen Widerstand tätig. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann sein Aufstieg innerhalb der KSČ. 1958 vollendete er sein Studium an der Parteihochschule des Zentralkomitees (ZK) der KPdSU in Moskau mit Auszeichnung. Danach studierte er an der juristischen Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava und beschloss sein Studium mit einer sozialwissenschaftlichen Dissertation.
Am 6. Januar 1968 wurde er zum neuen Ersten Sekretär des ZK der KSČ gewählt und avancierte in der ersten Hälfte des Jahres 1968 zur Symbolfigur des Prager Frühlings. Nach dessen Niederschlagung wurde er nach Moskau verschleppt und gezwungen das "Moskauer Protokoll", das alle Reformprozess in der ČSSR beenden sollte, zu unterschreiben.
Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter distanzierte er sich nie von seinem Engagement für den Reformsozialismus. Aus der KSČ wurde er ausgeschlossen. Daraufhin war er als Aufsicht im Fuhrpark eines Forstbetriebs in Bratislava tätig, wo er bis zu seiner Pensionierung 1986 arbeitete.
Dubček unterstützte 1989 die Protestbewegung und den demokratischen Umbruch. Dass danach keine zentrale Rolle mehr spielte, lag auch daran, dass seine Person in den Augen vieler Menschen zu stark mit dem Kommunismus verknüpft war. Dennoch wurde er Parlamentspräsident, trat allerdings im Juli 1991 zurück, da er die slowakischen Abspaltungsbestrebungen nicht unterstützte.
Dubček starb am 7. Oktober 1992 an den Folgen eines Autounfalls.
Verwendete Literatur:
„Dubček, Alexander“ in: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, zuletzt abgerufen von Bayerische Staatsbibliothek Bestandsentwicklung und Erschließung 2 am 31.8.2018.
Jan Hus (1369-1415) – war ein Theologe, Prediger, eine Zeitlang Rektor der Karls-Universität in Prag, religiöser Reformator und einer der wichtigsten Vorgänger des Protestantismus. Beeinflusst von John Wycliff, kritisierte Hus den Klerus für sein Besetzstreben und forderte, zur Bibel als Autorität in allen Glaubensfragen zurückzukehren. Er hielt seine Predigten vor den Prager Massen in der Landessprache und forderte, dass sie in allen Gottesdiensten eingeführt werde. Seine Vorträge erfreuten sich großer Popularität, was wiederum die Aufmerksamkeit der kirchlichen Autoritäten erregte. 1410 wurde Hus für seine Lehre exkommuniziert und als er während des Konzils von Konstanz seine Ideen nicht widerrief, als Ketzer verbrannt. Sein Tod löste in Böhmen reformatorische Bewegungen aus, die sich nach ihrem Märtyrer „Hussiten“ nannten. Jan Hus gilt bis heute als Symbolfigur des tschechischen Nationalismus. Der Tag seines Todes ist ein Nationalfeiertag.
Verwendete Literatur:
Soukup, Pavel, Jan Hus. Prediger - Reformator – Märtyrer. Stuttgart 2014.
Lyndon B. Johnson (1908-1973) – war ein amerikanischer Politiker und der 36. Präsident der Vereinigten Staaten. Er stammte aus Texas, wo er sich den Demokraten anschloss. Er diente unter John F. Kennedy als Vizepräsident. Nach dessen Ermordung im November 1963 wurde Johnson Präsident. 1964 verhalf ihm das Versprechen, alle amerikanischen Soldaten aus dem Vietnamkrieg abzuziehen, zur Wiederwahl. Als er Vietnam danach offiziell den Krieg erklärte und mehr Soldaten als zuvor einsetzte, erstarkte die Antikriegsbewegung. Um die Gesellschaft zu beruhigen, stellte die Regierung den Krieg als beinahe gewonnen dar, was allerdings nicht der Realität entsprach. Diese Glaubwürdigkeitslücke schwächte zusammen mit den sich verschärfenden sozialen Unruhen Johnsons Autorität. 1968 kündigte Johnson an, bei der nächsten Wahl nicht mehr anzutreten. Er zog sich zurück und starb wenige Jahre später an einem Herzschlag.
Verwendete Literatur:
Gardner, Lloyd, „Johnson, Lyndon Baines“ in: American National Biography Online, abgerufen am 28.07.2018.
Komunistická strana Československa (KSČ) [Kommunistische Partei der Tschechoslowakei] – war in den Jahren 1948 bis 1989 alleinige Regierungspartei in der Tschechoslowakischen Republik. Die Partei gründete sich im Mai 1921 durch die Abspaltung von der Tschechoslowakischen Sozialdemokratischen Partei (ČSSD). 1929 erfolgte die Stalinisierung. Während des Zweiten Weltkriegs war die KSČ verboten, arbeitete aber illegal weiter und stellte ein Zentrum der Widerstandsbewegung dar. Das brachte ihr nach Kriegsende viele Sympathien ein, so war sie die stärkste Kraft der 1945 gegründeten Nationalen Front und erhielt in den Wahlen von 1946 den größten Stimmenanteil. Im Februar 1948 setzte die die KSČ ihr Machtmonopol durch, es begann eine Phase der Verfolgung und Schauprozesse. 1968 strebte die KSČ unter der Führung von Alexander Dubček eine eigene Form des Sozialismus an. Die sowjetische Führung betrachtete dieses reformsozialistische Experiment als konterrevolutionär. Nach der militärischen Intervention im August 1968 wurde eine konservative, Moskau-treue Parteiführung unter Gustáv Husák eingesetzt, die einen Prozess der „Normalisierung“ einleitete. Das Machtmonopol der KSČ wurde am 17. November 1989 durch die Samtene Revolution beendet. Die heutige Nachfolgeorganisation der KSČ in Tschechien ist die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens KSČM.
Verwendete Literatur:
Malíř, Jiří & Pavel Marek (Hrsg.), Politické strany. Vývoj politických stran a hnutí v českých zemích a Československu 1861-2004 [Politische Parteien. Entwicklung der politischen Bewegungen in Böhmischen Ländern und der Tschechoslowakei 1861-2004] Bd. 2. Brno 2005.
Tomáš Garrigue Masaryk (1850-1937) – gilt als Gründervater der unabhängigen Tschechoslowakei und war ihr erster Präsident. Masaryk, der Philosophie studiert hatte und als Professor in Wien und Prag wirkte, war seit den 1890er Jahren in der Politik aktiv. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ging er ins Exil, wo er zusammen mit seinem Mitarbeiter Eduard Beneš den Tschechoslowakischen Nationalausschuss gründete. Er förderte die Entstehung der tschechoslowakischen Legionen und setzte sich bei den Alliierten für die Schaffung eines unabhängigen tschechoslowakischen Staates ein. Im November 1918 wurde Masaryk zum Präsidenten der jungen Republik ernannt und 1920, 1927 und 1934 in seinem Amt bestätigt. Er trat wegen Krankheit im Dezember 1935 zurück und wurde durch Edvard Beneš ersetzt. Masaryk wird bis heute als Symbol für Demokratie und Freiheit wahrgenommen.
Verwendete Literatur:
Kolář, František (Hrsg.), Politická elita meziválečného Československa 1918-1938. Kdo byl kdo za první republiky [Politische Elite der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit 1918-1938. Wer war wer in der Ersten Republik], Praha 1998.
Münchner Abkommen – bezeichnet einen am 29./30. September 1938 zwischen Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien zur Lösung der sogenannten Sudetenkrise, d.h. des Konfliktes um die in der Tschechoslowakei lebenden Deutschen, geschlossenen Vertrag. Die Tschechoslowakei selbst war von dessen Verhandlung ausgeschlossen. Das Abkommen bestimmte, dass die Tschechoslowakei ihre Randgebiete, in denen 3,5 Millionen Deutsche lebten, an das Reich abzugeben hatte. Die deutsche Wehrmacht besetzte dieses Gebiet im Oktober 1938.
Verwendete Literatur:
„Münchner Abkommen“ in: Brockhaus Online.
Richard Nixon (1913-1994) – war ein amerikanischer Politiker und 37. Präsident der Vereinigten Staaten. Er wurde in Kalifornien geboren und studierte Rechtswissenschaften. Während des Zweiten Weltkriegs diente er bei der Marine im Pazifik. In der Eisenhower-Regierung war er republikanischer Vizepräsident. Bereits 1960 bemühte er sich um das Präsidentenamt, wurde jedoch erst 1968 in dieses Amt gewählt. Nixon bemühte sich um eine neue Balance in den internationalen Beziehungen und eröffnete einen Dialog mit China, der die UdSSR zu Kompromissen zwang. Seine Strategie, den Vietnamkrieg durch intensive Bombardierungen zu gewinnen, scheiterte. Das schwächte seine Glaubwürdigkeit, dennoch wurde Nixon 1972 als Präsident wiedergewählt. Wenige Monate erfolgte der Einbruch in den Hauptsitz des „Democratic National Committee“ im Watergate-Gebäudekomplex. Nixon versuchte, die Beteiligung seiner Regierung an dieser illegalen Aktion zu vertuschen. Um der Amtsenthebung zu entgehen, trat Nixon am 8. August 1974 zurück. Gerald Ford sprach ihn einen Monat darauf von allen Vorwürfen frei.
Verwendete Literatur:
Hoff, Joan, „Nixon, Richard Milhous“ in: American National Biography Online, abgerufen am 28.07.2018.
Antonín Novotný (1904-1975) – war ein tschechoslowakischer kommunistischer Politiker, Generalsekretär der KSČ und von 1957 bis 1968 zugleich der Präsident der Tschechoslowakei. Er stammte aus einer Prager Arbeiterfamilie. 1921 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei. Von 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war er im Konzentrationslager Mauthausen inhaftiert. Nach seiner Entlassung wurde er Mitglied des Zentralkomitees der KSČ und folgte Klement Gottwald 1953 im Amt des Ersten Sekretärs. In den 1960er Jahren wuchs die Kritik an seiner rigiden Politik und seiner Person. Am 5. Januar 1968 wurde er als Parteichef von Alexander Dubček abgelöst. Am 22. März musste er auch von seinem Präsidentenamt zurückzutreten. Sein Nachfolger war der General Ludvík Svoboda. Im Juni gab er unter Druck auch seine Position im Zentralkomitee der KSČ auf und zog sich aus dem politischen Leben zurück. Während der Normalisierung wurde seine Mitgliedschaft im Zentralkomitee zwar erneuert, Novotný erreichte aber keinen nennenswerten Einfluss mehr.
Verwendete Literatur:
Jan Rataj (Hrsg.), Československo v proměnách komunistického režimu [Die Tschechoslowakei im Wandel des kommunistischen Regimes]. Praha 2010.
Ferdinand Peroutka (1895-1978) – war als Prager Schriftsteller und Journalist einer der wichtigsten Stimmen der demokratischen Öffentlichkeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik. 1929 bis 1939 arbeitete er als Chefredakteur der Wochenzeitung Přítomnost (Gegenwart) und als politischer Redakteur der Tageszeitung Lidové Noviny (Volkszeitung). Er gehörte zu dem Kreis um Eduard Beneš und Tomáš G. Masaryk. 1939 wurde er von den nationalsozialistischen Besatzern festgenommen, und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war er in Dachau und Buchenwald in Haft. Nach seiner Rückkehr gab er die einflussreiche Wochenzeitung Dnešek (Heute) heraus, war Chefredakteur der Svobodné Noviny (Freie Zeitung) und Mitglied der Nationalversammlung. Nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 ging er ins Exil. 1950 traf er in New York ein, wo er Mitglied des Rats der freien Tschechoslowakei wurde. In den Jahren 1951 bis 1961 leitete Peroutka die tschechische Abteilung von Radio Free Europe. Er starb im Exil.
Verwendete Literatur:
Pittauer, Ondřej, „Ferdinand Peroutka“ in: Slovník české literatury po roce 1945 [Das Wörterbuch der Tschechischen Literatur nach dem Jahr 1945], 30.11.2006, zuletzt abgerufen am 28.07.2018.
Jaroslav Rabas (Lebensdaten unbekannt) – war ein tschechoslowakischer Geschäftsmann und Präsident des Verbands der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago. Als Mitglied der nach dem Zweiten Weltkrieg verbotenen Agrarierpartei wurde er vom Regime verfolgt. Er flüchtete mit seiner Familie im August 1949 nach Chicago, wo er in einer Fabrik arbeitete und die Geschäftsleitung der lokalen „Sokol“-Organisation übernahm. Kurz nach seiner Ankunft gründete er den Verband der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago als konservative Gegenstimme zum liberal ausgerichteten Rat der freien Tschechoslowakei und wurde zu dessen Vorsitzenden. Später kaufte er eine Reiseagentur, die sich auf Reisen in die Tschechoslowakei konzentrierte. Dieses Geschäftsmodell stieß in der konservativen Gemeinschaft auf heftige Kritik.
Verwendete Literatur:
Nekola, Martin, České Chicago, Praha 2017.
Radko Klein-Jánský (1928-2008) – war ein tschechoslowakischer Journalist, Professor der Politologie und antikommunistischer Widerstandskämpfer. Kurz nach der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei im Februar 1948 schloss er sich der amerikanischen Spionageorganisation CIC (Counter Intelligence Corps) an und versuchte in der Tschechoslowakei Kontakte zu knüpfen. Seine Tätigkeit wurde aufgedeckt und er war gezwungen, in die USA zu emigrieren. Er ließ sich in Saint Louis nieder und lehrte nach seiner Promotion Politologie am dortigen Maryville College. Er war aktives Mitglied des konservativ ausgerichteten Verbands der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago und der Hauptkommentator der Verbandszeitung Zpravodaj, in der er vor allem unter dem Pseudonym „Emil Ludvík“ publizierte. 1997 zog er sich in sein Heimatdorf in Südböhmen zurück. Vor seinem Tod widmete Klein-Jánský seine Zeit weiteren politischen Tätigkeiten für die christlich-demokratische Partei (KDU-ČSL).
Verwendete Literatur:
Cholinský, Jan, „Radko Klein-Jánský, český patriot a katolický intelektuál v protikomunistickém odboji“ in: Jiří Štancl (Hrsg.), Třetí odboj na Klatovsku a Domažlicku. Sborník příspěvků ze stejnojmenné konference. Klatovy 2015.
Frank Švehla (1917-1990) – war ein tschechoslowakischer Grafiker und Herausgeber. Vor seiner Emigration 1948 arbeitete er für die Orbis Druckerei in Prag, dann in New York City für den New York Herald. 1956 gründete er eine eigene Druckerei, zwei Jahre später dann einen eigenen Verlag (Universum Press Co.), der viele Bücher von tschechoslowakischen Exilautoren wie Ferdinand Peroutka und Egon Hostovský publizierte. Seit 1962 gab er Americké Listy heraus – eine der wichtigsten tschechoslowakischen Exilzeitungen in den USA. Ihre Veröffentlichung wurde erst 1989, kurz vor seinem Tod, eingestellt.
Verwendete Literatur:
Rachcigl, Miloslav, Encyclopedia of Bohemian and Czech-American Biography, Bd. 2. Bloomington 2016.
Ungarnaufstand – bezeichnet die am 23. Oktober 1956 begonnene Rebellion des ungarischen Volkes gegen die kommunistische Herrschaft. Sie hielt bis zum 10. November 1956 an. Die Anfänge der u.a. auch als „Ungarischer Volksaufstand“ bekannten Revolution reichten bis in das Jahr 1953, das Jahr des Todes Stalins, zurück. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Mátyás Rákosi, der in Ungarn seit 1949 eine stalinistische Diktatur errichtet hatte, musste das Amt des Ministerpräsidenten an den liberaler eingestellten Imre Nagy abgeben. Dieser führte eine Reihe wirtschaftlicher und politischer Reformen durch, die den Lebensstandard in Ungarn erhöhten. Im Jahr 1955 unterlag Nagy im Machtkampf mit der stalinistischen Gruppe um Rákosi und wurde all seiner Ämter enthoben. Nachdem im Februar 1956 jedoch Chruščëvs Geheimrede bekannt wurde, in der er die stalinistischen Verbrechen kritisierte, wurden auch in Ungarn die Rufe nach einer Liberalisierung lauter. Zwar wurde Rákosi als Vorsitzender der Kommunistischen Partei abgesetzt, doch konnte dies die Unzufriedenheit im Land nicht mindern. Als Studenten auf einer genehmigten Demonstration am 23. Oktober 1956 in Budapest ihre Solidarität mit dem Arbeiteraufstand in Posen ausdrücken wollten, schlossen sich immer mehr Menschen an, um für Meinungs- und Pressefreiheit, freie Wahlen und die Wiedereinsetzung Imre Nagys als Ministerpräsident zu demonstrieren. Am Abend standen 200 000 Menschen vor dem ungarischen Parlament und Imre Nagy wurde erneut zum Ministerpräsidenten berufen. In den folgenden Tagen griff der Aufstand auf das ganze Land übe. Der wiederernannte Ministerpräsident Imre Nagy bildete eine Mehrparteienregierung und erklärte die Neutralität Ungarns und den Austritt aus dem Warschauer Pakt. Die Sowjetunion akzeptierte diese Entscheidung allerdings nicht. Am 1. November 1956 marschierte die Rote Armee in Ungarn ein und schlug den Aufstand nieder. In den folgenden drei Wochen kam es zu andauernden Kämpfen zwischen dem sowjetischen Militär und ungarischen Widerstandsgruppen. Mehr als 3000 Menschen starben bei den Kämpfen. Imre Nagy wurde am 22. November 1956 verhaftet und anderthalb Jahre später in Ungarn hingerichtet.
Verwendete Literatur:
Lachmann, Hannes, Die „Ungarische Revolution“ und der „Prager Frühling“. Eine Verflechtungsgeschichte zweier Reformbewegungen zwischen 1956 und 1968, Essen 2018.
Verband der Tschechoslowakischen Exilanten in Chicago – war eine christlich-konservative tschechoslowakische Exilorganisation, die in Chicago von dem Exilanten Jaroslav Rabas 1950 gegründet wurde. Sie sollte eine Gegenstimme zum liberal ausgerichteten Rat der freien Tschechoslowakei darstellen, dem die Verbandsgründer vorwarfen, er sei „zu sozialistisch“ und habe damit einen negativen Einfluss auf die Exilgemeinschaft. Der Verband entwickelte zahlreiche Aktivitäten auf der kulturellen und politischen Ebene, unter anderem gab er das Monatsblatt Zpravodaj heraus. Die Organisation knüpfte auch Kontakte zu amerikanischen Republikanern, darunter dem antikommunistischen Senator Joseph McCarthy.
Verwendete Literatur:
Nekola, Martin, České Chicago, Praha 2017.
Warschauer Pakt – gegründet am 14. Mai 1955 unter der Bezeichnung „Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ und auch Warschauer Vertragsorganisation genannt. Der Vertrag trat am 4. Juni 1955 in Kraft. In ihm sicherten ie kommunistischen Mitgliedsstaaten Albanien, Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und Ungarn einander gegenseitige militärische Unterstützung zu. Damit stellte der Warschauer Parkt eine Gegenallianz zur westlichen North Atlantic Treaty Organization (NATO) dar. Formaljuristisch waren alle Mitglieder gleichberechtigt, de facto hatte die Sowjetunion das militärische Oberkommando. Diese nutzte den Vertrag auch zur Stationierung von Truppen in den Mitgliedsstaaten, um die eigenen Interessen dort besser durchsetzen zu können. Der Warschauer Pakt bestand bis 1991.
Verwendete Literatur:
„Warschauer Pakt“ in: Brockhaus Online.