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1. Spanien im Jahr 1968

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern steht 1968 in Spanien nicht für ein Jahr, das eine wirkliche politische Wende gebracht hätte. In verschiedenen Schichten der Gesellschaft begann sich zwar bereits in den Jahren zuvor Protest zu regen, doch dies zog nur halbherzige Reformen nach sich.

Vor allem die Arbeiter wollten am raschen wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben, der Spanien bis Mitte der 70er Jahre vom Status eines Entwicklungslandes auf Platz 10 der Industrienationen katapultierte. Die Gesetze räumten nämlich vorwiegend den politischen Eliten und den Vermögenden steuerliche und soziale Privilegien ein. Auch die Kirche unterstützte den Wunsch der Arbeiter nach besserer Bezahlung und verbesserten Arbeitszeiten. Studenten verbündeten sich mit den Arbeitern, gründeten demokratische Studentengewerkschaften, die großen Zulauf erhielten, und forderten soziale Reformen und ein Ende der Diktatur. 1968 wurden aufgrund von Studentenunruhen Teile der Universität von Madrid geschlossen. Eine gewalttätige Opposition stellte die Untergrundorganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, dt.: Baskenland und Freiheit) dar. Im August 1968 griff die Terrorvereinigung erstmals zum Mittel des politischen Attentats und ermordete einen Polizeiinspektor. Ihren brutalen Protest verschärfte sie in der Folgezeit drastisch.

Die Regierung reagierte auf die immer stärker werdenden oppositionellen Kräfte mit einigen Scheinliberalisierungen, die auch dazu dienen sollten, das Image Spaniens gegenüber den westeuropäischen Ländern und den USA zu verbessern und damit die außenpolitische Isolation zu beenden. So führte das Staatsorgangesetz („Ley Orgánica del Estado“) 1967 formell eine Machtaufteilung ein, indem es das Amt des Staatsoberhaupts (Franco) und des Ministerpräsidenten trennte, die Franco zuvor beide innegehabt hatte. Letzteres blieb zunächst unbesetzt, dafür wurde aber Carrero Blanco, ein enger Vertrauter Francos, als Vizepräsident eingesetzt und leitete damit offiziell die Regierungsgeschäfte. Francos Macht blieb faktisch unberührt. Und obwohl eine Gesetzesänderung Religionsfreiheit brachte, behielten die Angehörigen der Staatsreligion des Katholizismus viele Privilegien gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften.

Eine weitere Neuerung stellte das Pressegesetz von 1966 („Ley de Prensa e Imprenta“) dar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Staat die Medien komplett kontrolliert und als Propagandaorgane genutzt. Das neue Gesetz weichte die Zensur zumindest teilweise auf und erlaubte die Veröffentlichung politischer Artikel. So entstanden neue, vom Staat unabhängige Publikationen. Dennoch hielt sich die Regierung mit einigen Schlupflöchern durch schwammige Formulierung im Gesetzestext die Möglichkeit offen, die Medien weiterhin zu kontrollieren, Strafen zu verhängen und Artikel zu verbieten. Dafür erntete sie heftige Kritik aus der Gesellschaft.

Trotz der faktisch immer noch starken Übermacht der Regierung fühlte diese sich durch das Pressegesetz bedroht und reagierte mit der Einführung des Gesetzes über Amtsgeheimnisse („Ley de Secretos Oficiales“), das im April 1968 in Kraft trat. Darin wurde nicht eindeutig definiert, was unter Amtsgeheimnis zu verstehen ist, sodass das Regime den Interpretationsspielraum zu Unterdrückungszwecken und Medienkontrolle nutzen konnte. Vermutlich war es Zufall, und dennoch ist es bemerkenswert, dass die Pläne über das Gesetz der Amtsgeheimnisse ausgerechnet im März 1968 publik wurden. Gerade als die Tschechoslowakei die Presse liberalisierte, setzte Spanien alles daran, sie wieder so weit wie möglich unter staatliche Kontrolle zu bringen.

Während in vielen Ländern Europas 1968 ein wichtiges Jahr in einem Jahrzehnt intensiven politischen und gesellschaftlichen Wandels war, tat sich Spanien mit Veränderungen schwer. Tatsächlich erfuhr das Land in der Endphase von Francos Herrschaft einen wirtschaftlichen Aufschwung und der Widerstand der Bürger gegen die soziale Ungerechtigkeit und die Diktatur wuchs. Doch können die Reformen der 60er Jahre hier nur als Scheinliberalisierungen gewertet werden, die darauf zielten, die Bevölkerung zu besänftigen und Spaniens internationales Image zu verbessern.

 

Verwendete Literatur:

Bernecker, Walther L., Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, München 1997.

Bischoff, Helmuth, Die spanische Presse im Redemokratisierungsprozeß, Bochum 1986.

Castro Torres, Carmen, La prensa en la Transición española: 1966-1978,Madrid 2010.


2. Der periphere Blick

Die Berichterstattung über den Prager Frühling in der spanischen Presse zur Umgehung der Zensur

Tschechoslowakei im Winter 1967, ein Land an der Schwelle großer Veränderungen. Zwei spanische Journalisten reisen vier Wochen durch die sozialistische Republik und beschreiben auf lebendige Weise, dass ein neuer Wind in der Luft liegt, dass Liberalisierungen sich abzeichnen, sich die Menschen einen Wandel wünschen. Luis de Velasco Rami und Juan Antonio Garcia Diez waren im Auftrag der spanischen Zeitschrift El Triunfo unterwegs, ihre Reportage erschien in der ersten Ausgabe der Zeitschrift 1968. Zu diesem Zeitpunkt konnte selbstverständlich niemand die politischen Entwicklungen erahnen, die sich in den kommenden Monaten überschlagen würden. Doch hatte das aus spanischer Sicht weit entfernte Land das Interesse der Zeitschrift geweckt, und so hatte diese die beiden Journalisten auf eine Erkundungstour in den sozialistischen Alltag geschickt. So entstand ein bemerkenswertes Zeitdokument.

Die beiden Reisenden nehmen die Tschechoslowakei als rückständig wahr, vergleichen sie mit dem Spanien der 50er Jahre, erleben aber auch die Aufgeschlossenheit der Tschechen und Slowaken für den Westen. Auf dem Schwarzmarkt tauschen die Journalisten ihr Geld zu günstigen Konditionen, was kein größeres Problem zu sein scheint, und stellen fest, dass die Lebenshaltungskosten nach offiziellem Wechselkurs höher sind als in Spanien. Dafür ist Bildung kostenfrei und der Wohnraum günstiger, allerdings ist er auch nur in begrenztem Rahmen verfügbar.

Um sich ein Bild davon zu machen, wie die Menschen im Lande ihre Situation empfinden, befragen sie mehrere Einheimische. Von Tschechen und Slowaken im Alter zwischen 40 und 50 Jahren erhalten sie die Antwort, dass das Leben jetzt besser sei als früher, weil Bildung und Schulmaterialien kostenlos zur Verfügung stünden. Jüngere Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren sehen ebenfalls die Vorteile im Kommunismus, aber auch dessen Nachteile: Die Partei habe zu viel Macht, die Abhängigkeit von der UdSSR und die fehlende Meinungsfreiheit seien ein Problem. Sie wünschen sich ein auf Kapitalismus basierendes Wirtschaftssystem, erhoffen sich davon einen höheren, dem Westen ähnlichen Lebensstandard.

Die Journalisten nehmen wahr, dass sich das Land in einem umfassenden Wandel befindet: In die Wirtschaft werden marktwirtschaftliche Elemente und flexiblere Preise eingeführt, man öffnet sich dem Außenhandel. Auch politisch stehen die Zeichen auf Liberalisierung. Und so gelangen de Velasco Rami und Garcia Diez zu einer optimistischen Einschätzung der Entwicklung in der Tschechoslowakei.[1]

 

Der schmale Grat zwischen Meinungsfreiheit und Zensur

Obwohl in Spanien seit 1966 offiziell keine Zensur mehr herrschte, war es verboten, negativ oder kritisch über die spanische Regierung zu schreiben. Über das Ausland zu berichten, machte es möglich, Hoffnungen, Ängste und Wünsche der eigenen Landesbevölkerung auszudrücken und Kritik an der eigenen Gesellschaft und Regierung auf indirekte Weise zu üben. Die Reise der beiden Triunfo-Journalisten war dabei nur einer von vielen Artikeln des politisch eher linken Magazins, die die Zensur durch Auslandskritik zu umgehen suchten. El Triunfo war ursprünglich als Film- und Kinozeitschrift entstanden, veröffentlichte aber nach 1962 auch politische Artikel. Ihr starkes Feuilleton blieb weiterhin typisch für sie, aber den neuen Hauptteil machten nach 1962 auch große Reportagen über andere Themen aus, darunter Politik und Wirtschaft. Die Rubrik „En Punto“ („Auf den Punkt gebracht“) fasste in kurzen Artikeln die wichtigsten politischen Geschehnisse auf der ganzen Welt zusammen. El Triunfo war nach 1966 als Gegner der Diktatur der Opposition zugeneigt und verlagerte sein Hauptaugenmerk auf die Politik. Da es verboten war, die Tätigkeit der Franco-Regierung zu kommentieren, erschienen solche Artikel höchstens mit indirekter Kritik und konzentrierten sich auf Geschehnisse im Ausland. Dennoch musste das Magazin in der Zeit von 1966 bis 1968 fünf höhere Geldstrafen wegen „moralischer Verstöße“ bezahlen.

Eine andere Perspektive zeigen die Madrider Tageszeitung ABC und die in Barcelona ansässige Tageszeitung La Vanguardia auf, die mit einer Stückzahl von 200 000 Ausgaben Ende der 1960er Jahre zu den auflagenstärksten und einflussreichsten Tageszeitungen des Landes gehörten. ABC war zu dieser Zeit recht linientreu, was sich an der Nähe vieler hochrangiger Angestellter der Zeitung zur politischen Elite und dem erzwungenen Weggang eines nicht konformen Kolumnisten Mitte der 1960er Jahre äußerte. La Vanguardia identifizierte sich bis Mitte der 60er Jahre mit dem Franco-Regime, wurde danach aber mehr und mehr zur Semiopposition.

Die drei Zeitungen bezeichnen drei verschiedene Positionen im politischen Spektrum der spanischen Medienlandschaft – ABC linientreu und rechts wie das Franco-Regime, La Vanguardia als zunehmend regierungskritisches Blatt und El Triunfo als linkes Magazin, das trotz der de facto bestehenden Zensur immer wieder kritisch kommentierte.

 

Der unbekannte Dubček

Nachdem der Triunfo der Tschechoslowakei in seiner ersten Ausgabe  so viel Platz eingeräumt hatte, ging er erstaunlicher Weise in den darauffolgenden Ausgaben mit keinem Wort auf Alexander Dubčeks Aufstieg zum Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei ein. Indessen veröffentlichte ABC am 6. Januar eine kleine Notiz dazu und druckte einen Tag darauf einen etwas längeren Artikel, in dem es aber vor allem um den entmachteten Ersten Parteisekretär Antonín Novotný ging. Über Dubček schien der Korrespondent kaum etwas zu wissen, hatte sich wohl noch keine Meinung zu diesem gebildet, sodass er den Leser mit dem Halbsatz „er wird eine progressive Annäherung an den Westen anstreben“[2] abspeiste. La Vanguardia ließ sich mit der Neuigkeit bis zum 9. Januar Zeit. Der Artikel, der dann erschien, charakterisierte Dubček mit seinen 46 Jahren als Vertreter der neuen Generation, betonte die freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und Leonid Brežnev und gab seinen Lebenslauf in einem Absatz kurz wieder.[3]

Anfang März lockerte die Regierung der Tschechoslowakei die Zensur und ermöglichte weitgehende Meinungsfreiheit. Offiziell herrschte in Spanien ebenfalls Pressefreiheit, doch keine der hier untersuchten Zeitungen erwähnte die Liberalisierung in der Tschechoslowakei. Es kann nur darüber spekuliert werden, ob dies der de facto bestehenden Zensur des Franco-Regimes geschuldet ist, oder ob es sich um ein Ereignis handelt, das aufgrund der geographischen Entfernung zwischen Spanien und der Tschechoslowakei als nicht relevant genug erschien, um in der spanischen Presse aufgegriffen zu werden. Nicht einmal El Triunfo erwähnte die Liberalisierungen. Als ABC nach der Invasion der Truppen des Warschauer Pakts am 22. August eine „Chronologie einer Krise“[4] mit den wichtigsten Daten des Prager Frühlings brachte, ordnete sie die Aufhebung der Zensur dem 29. Juni zu. Doch auch für diesen Zeitpunkt lassen sich keine Artikel zum Thema in der spanischen Presse finden. Erst Ende Juli äußerte sich ABC über die Meinungsfreiheit in der Tschechoslowakei und das überaus skeptisch: Sie sei „das billigste Zugeständnis, das die Partei am wenigsten kompromittiert, weil sie jederzeit zurückgenommen werden kann“[5].

 

Die weitere Darstellung Dubčeks

Obwohl Dubček von Beginn an einer der Hauptakteure des Prager Frühlings war, zeigte die Presse in den Ausgaben vom Januar und März noch wenig Interesse an seiner Person. La Vanguardia bezeichnete ihn als „starken Mann“[6], und die durchgängige Erwartungshaltung aller Zeitungen war, dass das Experiment des liberalen Kommunismus mit ihm glücken könnte. Außerdem merkte ein kleiner Artikel am 9. März lobend an, dass dank Dubček und seiner antistalinistischen Bestrebungen der Name des ersten Staatspräsidenten der Tschechoslowakei, Tomáš Garrigue Masaryk, neuerdings wieder in den Geschichtsbüchern zu lesen sein dürfe.[7]

Im Juli war mit den Verhandlungen in Čierna nad Tisou Dubček als Protagonist in den Zeitungen angekommen. El Triunfo sah ihn als Mann, der „Nein“ sagen könne, während er lächle wie Kennedy, und der immer einen klaren Kopf behalte.[8] Ende Juli schrieb ABC, der „unermüdliche Dubček“[9] habe die ganze Zeit über nicht seine Gelassenheit und sein Vertrauen verloren und den Tschechoslowaken eine „Dosis des Optimismus“[10] gegeben. Außerdem betonte die Zeitung am 27. Juli, Dubček habe niemanden verfolgt und niemanden gegen sich aufgebracht und es werde ihm hoch angerechnet, dass er seine Macht nicht gegen seine Feinde eingesetzt habe.[11]ABC, das eher als konservatives Blatt im Franco-Regime galt, zeichnete ein sehr positives Bild von Alexander Dubček und lobte ihn für seine Integrität, was verwundert, da Franco als Diktator seine Macht sehr wohl brutal gegen seine Feinde eingesetzte. Möglicherweise war es aber auch die antikommunistische Haltung der spanischen Regierung, die ABC dazu bewog, die Liberalisierungsbestrebungen Dubčeks und damit Dubček als Person positiv zu beurteilen.

Nach der Invasion hielten sich die Journalisten mit Meinungen zu Dubček auffällig zurück. Er kam zwar – selbstverständlich – in fast jedem Artikel vor, doch wurden hier die Ereignisse nur beschrieben, nicht beurteilt. Selbst aus Kommentaren wurde Dubček überwiegend ausgeklammert. Doch aus der Tatsache, dass alle drei Zeitungen die Loyalitätsbekundungen seiner Anhänger im In- und Ausland abdruckten, lässt sich schließen, dass sie an ihrer Meinung festhielten, Dubček habe das Vertrauen, das so viele Menschen ihn gesetzt hätten, verdient.

 

„Ein kafkaeskes Labyrinth“[12]

Während El Triunfo im Januar noch recht zuversichtlich schrieb, ein politischer und ökonomischer Wandel sei in der Tschechoslowakei möglich (ABC und La Vanguardia berichteten eher nüchtern, ohne Wertung), zog er Ende Juli die Möglichkeit in Betracht, dass es zu einer Invasion kommen könne. Eine Analyse von Haro Tecglen verglich das, was in der Tschechoslowakei geschah, mit Ereignissen wie dem Pariser Mai oder den Unruhen und Bürgerbewegungen in den USA. Denn überall handle es sich um das gleiche Phänomen: Politik und Gesellschaft entfernten sich immer weiter voneinander und das Volk lehne sich schließlich gegen die politischen Eliten auf, die eine positive Entwicklung von Demokratie und Marxismus verhinderten. In Frankreich würden die Aufständischen als „kommunistische Gefahr“ bezeichnet, in der Tschechoslowakei als „antikommunistische Gefahr“, und dennoch hätten sie die gleichen Ziele. Haro Tecglen gelangte in seinem Kommentar zu der Einschätzung, die „sichtbaren Staaten“ – der Autor meinte damit die offiziellen Verlautbarungen in verschiedenen Ländern – wünschten sich eine friedliche Lösung, bei der sich der Neomarxismus Dubčeks entfalten und ausbreiten könne. Indessen sei es aber unklar, was die „unsichtbaren Staaten“ wollten, also die Geheimdienste oder vermögende und einflussreiche Kreise. Tecglen zufolge hofften viele europäische Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich oder Italien, die Sowjetunion möge in die Tschechoslowakei einmarschieren, damit das Blocksystem wieder gestärkt werde, von dem sie profitiert hätten. Tecglen beschrieb die Tschechoslowakei als ein „kafkaeskes Labyrinth“, in dem viel Irritation und Spannung herrsche und eine gewalttätige Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen werden könne.[13]

In der folgenden Ausgabe vom 3. August, als die Gespräche in Čierna nad Tisou bereits vorbei waren, schrieb Jean Geoffroy, dass eine friedliche Lösung immer noch möglich sei und die Truppen abgezogen worden seien, diese aber jederzeit zurückkommen könnten. Das Gespräch zwischen Brežnevund Dubček habe sich einen „Dialog der Tauben“[14] verwandelt, in dem Prag und Moskau ein „diplomatisches Ping-Pong“[15] mit einem zunehmend explosiveren Ball spielten. Das Ende des Artikels vermittelt den Eindruck, dass der Journalist die eingangs formulierte Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konfliktes als Wunschvorstellung sah und bereits mit der militärischen Eskalation rechnete.

La Vanguardia kommentierte am 27. Juli, zwei Tage vor Beginn der Gespräche: „Es wäre sehr schade, wenn dieser tschechoslowakische Prozess nach acht Monaten scheiterte. Denn die neuen Männer von Prag haben bereits wichtige Dinge realisiert.“[16] Der Wunsch nach dem Fortgang des Prager Frühlings ist deutlich herauszuhören, aber es klingen auch Befürchtungen mit, offenbar war dem Autor die Möglichkeit eines gewaltsamen Endes des Reformprojekts bewusst. Einen Tag darauf schrieb Manuel Aznar, er glaube nicht, dass der Stab, der bis vor einigen Monaten an der Macht war, einfach so verschwunden sei. Indessen seien diese Männer jetzt umso eher bereit, sich ihre Macht zurückzuholen und erneut stalinistische Disziplin durchzusetzen.[17]

ABC ließ dagegen am selben Tag eine positivere Einschätzung verlauten. Die Tschechoslowakei und die Führungsriege seien sich noch nie so sicher und einig gewesen. Doch bereits am 31. Juli war die Euphorie verflogen: „Das wenige, das wir wissen, ist unangenehm“[18], schrieb der Korrespondent Luis Calvo, aber vermittelte in seinem einseitigen Artikel keinerlei neue Informationen, sondern wiederholte die Geschehnisse der vergangenen Tage und paraphrasierte immer wieder, dass eigentlich nichts Konkretes bekannt sei.

Am 2. August schafften es Dubček und Brežnev auf die Titelseite der ABC. Auf Seite drei konstatierte Antonio Garrigues in einer Analyse über die „Probleme des kommunistischen Weges mit der Freiheit“[19], ein freiheitlicher Kommunismus sei möglich. Jeder kommunistische Staat müsse eben seinen eigenen Weg finden, um ein funktionierendes System mit demokratischen und liberalen Elementen zu etablieren. Diesen Schluss bezog er auf sein Land: Auch Spanien müsse einen eigenen Weg zur Demokratie und Freiheit finden. Er nutzte die Berichterstattung über die Tschechoslowakei, um über die Sehnsüchte und Hoffnungen der eigenen Bevölkerung zu schreiben. Als er in einem Kommentar die spanische Regierung angriff, blieb er dabei zwar sehr vage, doch konnten die Leser seine Botschaft zweifellos verstehen: Wenn es ein kommunistisches Land unter autoritärem sowjetischem Einfluss schaffen kann, seinen Kommunismus durch demokratische und liberale Elemente zu verändern, dann kann auch ein faschistisch-diktatorisch geführtes Land wie Spanien zu mehr Freiheit finden. Trotz der geographischen Entfernung bestand eine Verbindung zwischen den Ereignissen in der Tschechoslowakei und Spanien.

 

Ernüchterung nach der Euphorie

Am 22. August kam dann aber die Ernüchterung. Ein Autor titelte „Das unmögliche Abenteuer, Kommunismus und Freiheit zu vereinen“[20]. Er sagte voraus, dass Russland – hier ein Synonym für die Sowjetunion – sich niemals ändern werde. Der Artikel bezog sich hier auf den durch Sowjettruppen niedergeschlagenen Aufstand in Ungarn 1956 und verurteilte Russland für sein wiederholtes militärisches Vorgehen gegen Demokratisierungsversuche. Außerdem beschuldigte der Autor den Kommunismus, „die Blume der Freiheit zu zerquetschen“[21]. Die Hoffnungen, die Garrigues weniger als drei Wochen zuvor aus der Symbiose von Kommunismus und Freiheit gezogen hatte, waren mit der Invasion völlig erloschen.In der Triunfo-Ausgabe vom 31. August stand vor einem Schwarz-Weiß-Bild mit Panzer und düsterem Himmel dick „Prag“ geschrieben, darunter der Untertitel „Stalinismus und Kommunismus“[22].

Insgesamt 14 Seiten widmete die Zeitschrift der Tschechoslowakei. Haro Tecglen konstatierte in seiner Analyse, dass der Vorfall leider nicht einzigartig in dieser Zeit sei. Das Schema sei immer wieder das gleiche, egal ob in Prag, Vietnam oder Santo Domingo. Repräsentanten des Regimes, also in Prag die Anhänger des Sozialismus der Ära vor Dubček, erfänden eine „Verschwörung“, und bäten eine stärkere, mit ihnen verbündete Macht um Hilfe. Außerdem empörte sich Tecglen über De Gaulle in Frankreich und Kiesinger in Deutschland, die sich lautstark über die Invasion echauffierten, im Geheimen aber jubelten, da es ihnen das sowjetische Vorgehen erleichtere, ihre antikommunistische Politik voranzutreiben.[23] Damit wiederholte er die Einschätzung, die er bereits einen Monat zuvor geäußert hatte, als er meinte, dass die westeuropäischen Staaten eine Invasion begrüßen würden.

Auch La Vanguardia verglich Prag mit Saigon, aber auf andere Weise: Die USA hätten ihr Engagement in Europa vernachlässigt, Vietnam vor Berlin gestellt und mit dem Einmarsch eine neue Interessenhierarchie festgelegt. In gleicher Weise habe Moskau mit der Invasion das Vertrauen der Welt verloren und in einem kurzen Moment sein Gesicht völlig verändert. Die Schuld für die Invasion schob die Zeitung übrigens der Ideologie des Marxismus-Leninismus zu, der den Menschen alle Freiheitsrechte abspreche.[24]

In El Triunfo folgten verschiedene kleinere Artikel mit Zahlen und Fakten über die Invasion, aber auch allgemein über die Lage in der Tschechoslowakei, über Dubček, die Kommunistische Partei und den Warschauer Pakt. Außerdem wurden die offiziellen Erklärungen der Tschechoslowakei, der Sowjetunion, des rumänischen Staatschefs Ceausescu und des jugoslawischen Staats- und Parteiführers Tito über die Invasion abgedruckt. Auch La Vanguardia und ABC publizierten Stellungnahmen aus der internationalen Presse – aus skandinavischen Zeitungen, aus Frankreich und England sowie die Position des Vatikans. Allein Informationen über die Haltung des spanischen Staatschefs, Francisco Franco, zur Invasion sucht man in der Presse des Landes vergebens.

Bei allen Unterschieden, die die ausgewerteten spanischen Presseerzeugnisse aufweisen, lassen sich doch in allen drei zu Beginn des Prager Frühlings Hoffnungen ablesen, dass das Experiment des Sozialismus mit menschlichem Antlitz glücken könnte, wobei ABC am skeptischsten kommentierte und die Journalisten, die für El Triunfo die Tschechoslowakei besucht haben, am zuversichtlichsten klangen. Die Autoren projizierten den Wunsch nach Wandel der spanischen Bevölkerung, die bereits fast 30 Jahre lang unter der Franco-Diktatur lebte, auf die Entwicklung in der Tschechoslowakei. Sie nutzten die Berichterstattung über Ereignisse in einem anderen Land, um indirekt Kritik an der eigenen Regierung zu äußern. Das Aufkeimen eines funktionierenden demokratischen und humanen Systems in einem sozialistischen und von der Sowjetregierung gelenkten Staat weckte bei Journalisten und Lesern die Hoffnung auf Befreiung von einer ungeliebten Übermacht – ein Wunsch, der sich direkt auf die Situation in Spanien übertragen lässt.

Anfang August kam Ernüchterung auf. Die Berichterstattung schlug einen veränderten Ton an und brachte viele skeptische Kommentare über den Prager Frühling. Nach der Invasion wurden zuvor formulierte Hoffnungen revidiert, das Lob, das man den Ideen der Reformer gespendet hatte, relativiert. Es war eine gewisse Traurigkeit und Desillusionierung zu spüren. Die Journalisten schrieben mit resigniertem Unterton, und die Artikel ließen die Enttäuschung der Autoren ahnen, dass der Prager Frühling trotz vielversprechender Ansätze und guter Ideen gescheitert war. Zwar blieben die Vergleiche zu Spanien nun aus, aber dennoch suggerierte der mitschwingende Unterton, dass die Hoffnungen der spanischen Bevölkerung auf Reformen und Demokratie mit dem Ende des Prager Frühlings ebenfalls zunichte gemacht worden waren. Denn Prag war ein Lichtblick, eine Hoffnung auf Wandel und politische Veränderung für die Spanier, von denen viele unter der Diktatur im eigenen Land litten. Diesen Lichtblick löschten die Warschauer-Pakt-Truppen aus, als sie in die Tschechoslowakei einmarschierten.

 

Verwendete Literatur:

Bischoff, Helmuth, Die spanische Presse im Redemokratisierungsprozeß, Bochum 1986.

Castro Torres, Carmen, La prensa en la Transición española: 1966-1978, Madrid 2010.

 

Quellen:

Online, alle zuletzt aufgerufen am 6.10.2018

ABC, Online-Archiv, http://hemeroteca.ABC.es/

Triunfo, El, Online-Archiv, http://www.triunfodigital.com/

Vanguardia, La, Online-Archiv, https://www.lavanguardia.com/hemeroteca

 

Endnoten:

[1] „Checoslovaquia, hoy entre la curiosidad de occidente y la reforma económica” in: El Triunfo (1968), Nr. 292, 18-25.

[2] „buscará un progresivo acercamiento a Occidente“, „La caída de Novotny” in: ABC, 07.01.1968, 44.

[3] „La caída de Novotny coincide con un momento difícil para la economía de su país“ in: La Vanguardia, 09.01.1968, 12.

[4] „Chronología de una crisis“ in: ABC, 22.08.1968, 23.

[5] „pero la libertad de expresión es la más barata de todas y la que menos compromete al partido, porque puede ser retirada en cualquier momento […]“, „Silencio oficial e inhibición de los progresistas ante la presión rusa sobre Checoslovaquia” in: ABC, 27.07.1968, 33.

[6] „hombre fuerte“, „Praga: Presiones para derribar a Novotny“ in: La Vanguardia, 09.03.1968, 18.

[7] „Reaparece el nombre de Masaryk en Checoslovaquia“ in: La Vanguardia, 09.03.1968, 18

[8] „Batallas por Praga“ in: El Triunfo (1968), Nr. 322, 26-31.

[9] „infatigable Alejandro Dubček“, „Mañana o pasado dara comienzo la conferencia checo-sovietica“ in: ABC, 28.07.1968, 25.

[10] „dosis de optimismo“, „El presidium checoslovaco mantiene sus posiciones“ in: ABC, 28.07.1968, 26.

[11] „Novotny espera en Pilsen un desarollo de los acontecimientos favorable a su política“ in: ABC, 27.07.1968, 33.

[12] „Laberinto kafkiano“, „La encrucijada de Praga“ in: El Triunfo (1968), Nr. 321, 4-5.

[13] „La encrucijada de Praga“ in: El Trinfo (1968), Nr. 321, 4-5.

[14] „Diálogo de sordos“, „Batallas por Praga“ in: El Triunfo (1968), Nr. 322, 26-30.

[15] „ping-pong diplomático“, ebd.

[16] „Y sería una lástima, que este proceso checoslovaco se fracasase a los ocho meses de su comienzo. Porque ya han realizado cosas importantes los nuevos hombres de Praga.”, „Exitos rusos en el forcejeo diplomático con Checoslovaquia“ in: La Vanguardia, 27.07.1968, 14.

[17] „Una hora grave para la estrategia rusa“ in: La Vanguardia, 28.07.1968, 15.

[18] „Lo poco que se sabe es desapaciable“, „Final áspero y contante en la primera entrevista checo-sovietica“ in: ABC, 31.07.1968, 23.

[19] „Los problemas de la via comunista con la libertad“ in: ABC, 02.08.1968, 3.

[20] „La imposible aventura de compaginar comunismo y libertad“ in: ABC, 22.08.1968, 23-24.

[21] „[…] pero el comunismo aplasta siempre […] la flor de la libertad“, ebd.

[22] „Praga. Stalinismo y comunismo“ in: El Triunfo (1968), Nr. 326, 1.

[23] „Una política de tanques“ in: El Triunfo (1968), Nr. 326, 4-5.

[24] „Praga y Saigon“ in: La Vanguardia, 22.08.1968, 5.

Glossar:

Brežnev, Leonid Il'ič

Leonid Il'ič Brežnev (1906-1982) – war von 1964 bis 1982 Erster Sekretär (ab 1966 Generalsekretär) der KPdSU. Unter seiner Führung setzte in der UdSSR eine verschärfte Reglementierung des kulturellen Lebens sowie eine vorsichtige Rehabilitierung Stalins ein. Außenpolitisch verstärkte Brežnev den Einfluss auf die inneren Angelegenheiten der kommunistischen Staatenwelt, insbesondere in Europa. So wurde die Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei mit der These der beschränkten Souveränität der Staaten (Brežnev-Doktrin) des sozialistischen Lagers gerechtfertigt.

Verwendete Literatur:

„Breschnew, Brežnev“ in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 3, Bed-Brn, Mannheim 1987.

Čierna nad Tisou

Čierna nad Tisou – ist eine slowakische Kleinstadt im Dreiländereck zwischen der Slowakei, der Ukraine und Ungarn. Vom 29. Juli bis zum 1. August 1968 fanden in der Grenzstadt zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion bilaterale Verhandlungen zwischen Vertretern des sowjetischen Politbüros und der tschechoslowakischen Regierung statt. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Leonid Brežnev, Alexej Kossygin, Nikolaj Podgorny, Alexander Dubček und Ludvík Svoboda. Für die Sowjetunion waren die Verhandlungen der letzte Versuch, dem Prager Frühling und Dubčeks Reformkurs ohne Anwendung von Gewalt Einhalt zu gebieten. Den beiden Seiten gelang, in Čierna nad Tisou zumindest eine kurzfristige Einigung zu erreichen, die wenig später in Bratislava ratifiziert wurde.

Verwendete Literatur:

Schulze Wessel, Martin, Der Prager Frühling. Aufbruch in eine neue Welt. Stuttgart 2018, 271-280.

Dubček, Alexander

Alexander Dubček (1921-1992) – war ein tschechoslowakischer Politiker und eine der zentralen Figuren des Prager Frühlings. Dubček wuchs größtenteils in der UdSSR auf, wo sein Vater im Rahmen der „Internationalen Arbeiterhilfe“ als Tischler tätig war. In den 1930er Jahre machte er eine Ausbildung zum Schlosser. 1939 trat er der illegal gegründeten Kommunistischen Partei der Slowakei (Komunistická strana slovenska – KSS) bei und war im antifaschistischen Widerstand tätig. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann sein Aufstieg innerhalb der KSČ. 1958 vollendete er sein Studium an der Parteihochschule des Zentralkomitees (ZK) der KPdSU in Moskau mit Auszeichnung. Danach studierte er an der juristischen Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava und beschloss sein Studium mit einer sozialwissenschaftlichen Dissertation.

Am 6. Januar 1968 wurde er zum neuen Ersten Sekretär des ZK der KSČ gewählt und avancierte in der ersten Hälfte des Jahres 1968 zur Symbolfigur des Prager Frühlings. Nach dessen Niederschlagung wurde er nach Moskau verschleppt und gezwungen das "Moskauer Protokoll", das alle Reformprozess in der ČSSR beenden sollte, zu unterschreiben.

Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter distanzierte er sich nie von seinem Engagement für den Reformsozialismus. Aus der KSČ wurde er ausgeschlossen. Daraufhin war er als Aufsicht im Fuhrpark eines Forstbetriebs in Bratislava tätig, wo er bis zu seiner Pensionierung 1986 arbeitete.

Dubček unterstützte 1989 die Protestbewegung und den demokratischen Umbruch. Dass danach keine zentrale Rolle mehr spielte, lag auch daran, dass seine Person in den Augen vieler Menschen zu stark mit dem Kommunismus verknüpft war. Dennoch wurde er Parlamentspräsident, trat allerdings im Juli 1991 zurück, da er die slowakischen Abspaltungsbestrebungen nicht unterstützte.

Dubček starb am 7. Oktober 1992 an den Folgen eines Autounfalls.

Verwendete Literatur:

„Dubček, Alexander“ in: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, zuletzt abgerufen von Bayerische Staatsbibliothek Bestandsentwicklung und Erschließung 2 am 31.8.2018.

Franco, Francisco

Francisco Franco (1892-1975) – war ein spanischer Militär und Politiker, seit 1934 Chef des Generalstabs und damit auch Oberbefehlshaber der spanischen Armee. Nach dem Sieg im Spanischen Bürgerkrieg, der sich aus einem Militärputsch Francos gegen die republikanische Regierung entwickelte, ernannte  eine Junta aus Aufständischen Franco zum Generalísimo, also zum Oberhaupt über Staat und Militär. Bis zu seinem Tod blieb er unter dem selbsternannten Titel „Caudillo“ Diktator und de facto Alleinherrscher des Landes. Spanien war unter Franco ein autoritäres, auf Armee, katholischen Klerus und Großgrundbesitz gestütztes Regime.

Verwendete Literatur:

„Francisco Franco Bahamonde“ in: Brockhaus Online.

Novotný, Antonín

Antonín Novotný (1904-1975) – war ein tschechoslowakischer kommunistischer Politiker, Generalsekretär der KSČ und von 1957 bis 1968 zugleich der Präsident der Tschechoslowakei. Er stammte aus einer Prager Arbeiterfamilie. 1921 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei. Von 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war er im Konzentrationslager Mauthausen inhaftiert. Nach seiner Entlassung wurde er Mitglied des Zentralkomitees der KSČ und folgte Klement Gottwald 1953 im Amt des Ersten Sekretärs. In den 1960er Jahren wuchs die Kritik an seiner rigiden Politik und seiner Person. Am 5. Januar 1968 wurde er als Parteichef von Alexander Dubček abgelöst. Am 22. März musste er auch von seinem Präsidentenamt zurückzutreten. Sein Nachfolger war der General Ludvík Svoboda. Im Juni gab er unter Druck auch seine Position im Zentralkomitee der KSČ auf und zog sich aus dem politischen Leben zurück. Während der Normalisierung wurde seine Mitgliedschaft im Zentralkomitee zwar erneuert, Novotný erreichte aber keinen nennenswerten Einfluss mehr.

Verwendete Literatur:

Jan Rataj (Hrsg.), Československo v proměnách komunistického režimu [Die Tschechoslowakei im Wandel des kommunistischen Regimes]. Praha 2010.

Ungarnaufstand

Ungarnaufstand – bezeichnet die am 23. Oktober 1956 begonnene Rebellion des ungarischen Volkes gegen die kommunistische Herrschaft. Sie hielt bis zum 10. November 1956 an. Die Anfänge der u.a. auch als „Ungarischer Volksaufstand“ bekannten Revolution reichten bis in das Jahr 1953, das Jahr des Todes Stalins, zurück. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Mátyás Rákosi, der in Ungarn seit 1949 eine stalinistische Diktatur errichtet hatte, musste das Amt des Ministerpräsidenten an den liberaler eingestellten Imre Nagy abgeben. Dieser führte eine Reihe wirtschaftlicher und politischer Reformen durch, die den Lebensstandard in Ungarn erhöhten. Im Jahr 1955 unterlag Nagy im Machtkampf mit der stalinistischen Gruppe um Rákosi und wurde all seiner Ämter enthoben. Nachdem im Februar 1956 jedoch Chruščëvs Geheimrede bekannt wurde, in der er die stalinistischen Verbrechen kritisierte, wurden auch in Ungarn die Rufe nach einer Liberalisierung lauter. Zwar wurde Rákosi als Vorsitzender der Kommunistischen Partei abgesetzt, doch konnte dies die Unzufriedenheit im Land nicht mindern. Als Studenten auf einer genehmigten Demonstration am 23. Oktober 1956 in Budapest ihre Solidarität mit dem Arbeiteraufstand in Posen ausdrücken wollten, schlossen sich immer mehr Menschen an, um für Meinungs- und Pressefreiheit, freie Wahlen und die Wiedereinsetzung Imre Nagys als Ministerpräsident zu demonstrieren. Am Abend standen 200 000 Menschen vor dem ungarischen Parlament und Imre Nagy wurde erneut zum Ministerpräsidenten berufen. In den folgenden Tagen griff der Aufstand auf das ganze Land übe. Der wiederernannte Ministerpräsident Imre Nagy bildete eine Mehrparteienregierung und erklärte die Neutralität Ungarns und den Austritt aus dem Warschauer Pakt. Die Sowjetunion akzeptierte diese Entscheidung allerdings nicht. Am 1. November 1956 marschierte die Rote Armee in Ungarn ein und schlug den Aufstand nieder. In den folgenden drei Wochen kam es zu andauernden Kämpfen zwischen dem sowjetischen Militär und ungarischen Widerstandsgruppen. Mehr als 3000 Menschen starben bei den Kämpfen. Imre Nagy wurde am 22. November 1956 verhaftet und anderthalb Jahre später in Ungarn hingerichtet.

Verwendete Literatur:

Lachmann, Hannes, Die „Ungarische Revolution“ und der „Prager Frühling“. Eine Verflechtungsgeschichte zweier Reformbewegungen zwischen 1956 und 1968, Essen 2018.

Warschauer Pakt

Warschauer Pakt – gegründet am 14. Mai 1955 unter der Bezeichnung „Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ und auch Warschauer Vertragsorganisation genannt. Der Vertrag trat am 4. Juni 1955 in Kraft. In ihm sicherten ie kommunistischen Mitgliedsstaaten Albanien, Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und Ungarn einander gegenseitige militärische Unterstützung zu. Damit stellte der Warschauer Parkt eine Gegenallianz zur westlichen North Atlantic Treaty Organization (NATO) dar. Formaljuristisch waren alle Mitglieder gleichberechtigt, de facto hatte die Sowjetunion das militärische Oberkommando. Diese nutzte den Vertrag auch zur Stationierung von Truppen in den Mitgliedsstaaten, um die eigenen Interessen dort besser durchsetzen zu können. Der Warschauer Pakt bestand bis 1991.

Verwendete Literatur:

„Warschauer Pakt“ in: Brockhaus Online.