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Der Prager Frühling war ein zentrales Ereignis des Jahres 1968, auch in den weltweiten Medien. Die Presse informierte, diskutierte, kommentierte, prägte und lenkte die öffentliche Meinung. Die Informationen aus der Tschechoslowakei waren teilweise dürftig, manchmal für Journalisten schwer zu entziffern und zu interpretieren. Der Prager Frühling war ein Medienereignis, dessen verschiedene Facetten die Analyse von insgesamt 28 Zeitungen, Zeitschriften und Wochenblättern in elf Ländern, gezeigt hat. Die meisten untersuchten Staaten waren Teil der zwei Blöcke, in die die Welt im Kalten Krieg aufgeteilt war. Wir haben uns mit der Presse der Bundesrepublik Deutschland, Großbritanniens, Frankreichs und Italiens auf der einen Seite befasst, auf der anderen Seite die „Ostblockländer“ DDR, Ungarn, Polen und die UdSSR in den Blick genommen. Österreich stand in spezieller Weise zwischen den Lagern und bemühte sich um Neutralität. Spanien unter Franco kam als europäischer Ausnahmefall dazu. Einen Eindruck von der Perspektive derer, die nach 1948 vor den Kommunisten geflohen waren, bot die Analyse von Zeit Exilzeitschriften, die in den USA erschienen. Dieses Mosaik kann die Wahrnehmung, Diskussion und Wertung des Prager Frühlings in der internationalen Presse nicht erschöpfend abbilden. Schon innerhalb eines Landes vertraten verschiedene Zeitungen mitunter divergierende Sichtweisen, Einschätzungen veränderten sich im Laufe von Wochen und Tagen. Diese zeitgenössischen Eindrücke in ihren politischen Kontexten einzufangen, war das Anliegen unseres Projekts.
Im Westen wurde die Ablösung Antonín Novotnýs durch Alexander Dubček sehr positiv aufgenommen. Besondere Betonung legten französische und britische Journalisten darauf, dass Dubček jung und vor allem Slowake sei, was als wichtiger Schritt für die wachsende Bedeutung des östlichen Teils der Tschechoslowakei gewertet wurde. Die italienische Presse sah Dubček als positive Gegenfigur zu seinem Vorgänger und auch die bundesdeutsche Presse konnte sich vorstellen, dass Dubček neue Wege gehen werde, doch eine umfassende Demokratisierung oder Liberalisierung erwartete sie nicht. Die US-amerikanische Exilpresse war sich uneinig: Americké Listy in New York sah Dubček als Hoffnungsträger, während Zpravodaj in Chicago ihn als treuen Vasallen Moskaus portraitierte. Auch im neutralen Österreich äußerten sich die Kommentatoren eher verhalten und skeptisch gegenüber dem neuen Mann in der Tschechoslowakei; in Die Presse wurde gar Novotný als Opfer der Reformer dargestellt. Für Spanien war die Tschechoslowakei weit weg, die Medien widmeten der Ablösung Novotnýs lediglich eine kurze Notiz und gingen dabei kaum auf den neuen Ersten Sekretär ein.
Ganz anders sah es in der UdSSR aus, deren gelenkte Presse den neuen ersten Mann in traditioneller Manier mit seinem gesamten Lebenslauf vorstellte und als Kind einer revolutionären Arbeiterfamilie pries. Die Kommentatoren in Ungarn, der DDR und Polen versicherten, dass sich durch Dubček nichts ändern und er an der Parteilinie festhalten werde.
Hatte die Presse der sozialistischen Länder zunächst signalisiert, dass Dubček Kontinuität bedeute, wuchs schon bald der Argwohn. Über die Einführung der Pressefreiheit findet sich in der Presse der UdSSR, der DDR und Ungarns nichts. Die DDR betonte stattdessen die Verbundenheit der Tschechoslowakei und der DDR, die Sowjetunion stellte die tschechoslowakische Bevölkerung und die kommunistische Partei als Opfer der Unterwanderung durch neofaschistische und imperialistische Ideologien aus dem Westen dar.
Unter den westlichen Staaten verzichteten nur die Zeitungen in Spanien und Italien darauf, über die Meinungsfreiheit in der Tschechoslowakei zu schreiben. Im Fall Spaniens kann das auf die herrschende Diktatur zurückgeführt werden, was der Grund dafür war, dass die italienische Presse nicht berichtete, bleibt offen. Die Zeitungen der BRD, Frankreichs und Großbritanniens reagierten positiv bis euphorisch auf die Abschaffung der Zensur, in der Times hieß es sogar, die Wahrheit sei Dubčeks wichtigste Waffe. Zpravodaj in Chicago dagegen warnte, die Meinungsfreiheit sei nur ein geschickter Schachzug Dubčeks, der die Öffentlichkeit von sich zu überzeugen wolle. Ähnlich sah es auch die österreichische Furche, die schlussfolgerte, es gehe der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei nicht darum, Demokratie einzuführen, sondern um den Erhalt ihrer Macht. Auch die anderen österreichischen Zeitungen sahen die Aufhebung der Zensur nicht als Ausgangspunkt für umfassende Liberalisierungen an.
Die Verhandlungen im Juli zwischen Prag und Moskau befeuerten die Berichterstattung stark und in allen untersuchten Ländern berichtete die Presse nun fast täglich und ausführlich. Die sowjetischen Zeitungen räumten den Verhandlungen viel Platz ein – es handelte sich also um ein wichtiges Ereignis – aber sie offenbarten nichts Konkretes. Stattdessen wurden die Seiten gefüllt mit detaillierten Auflistungen von teilnehmenden Personen und deren Rängen. Auch Ungarn gab keine inhaltlichen Informationen preis, sondern schrieb oberflächlich, die Atmosphäre in Čierna nad Tisou sei gut. In der DDR und in Polen wuchs bereits im Mai und Juni die Zahl der Artikel, in denen Intellektuelle und Schriftsteller, aber auch die tschechoslowakische Presse scharf kritisiert wurden. Der Vorwurf: Sie nutzten die neugewonnenen Freiheiten zügellos aus und hetzten gegen die sozialistischen Bruderländer. Die DDR-Presse sah einen eindeutigen Einfluss der BRD auf die Tschechoslowakei, in Polen spekulierten die Zeitungen sogar über eine geheime Zusammenarbeit der beiden Länder. Auffällig ist allerdings, dass nie Dubček selbst zur Zielscheibe der Kritik wurde.
Auch im Westen Europas spürten die Journalisten, dass es in der Tschechoslowakei brodelte. Immer häufiger wurden die Spannungen mit sportlichen Metaphern umschrieben: Das Spiel zwischen Moskau und Prag gehe in die Verlängerung, hieß es in Frankreich. Dubček und Brežnev spielten ein diplomatisches Ping-Pong, schrieb der spanische Triunfo. Indessen wählten die italienische und die österreichische Presse historische Analogien und verglichen die Situation, in der sich die Tschechoslowakei befand, mit dem Münchner Abkommen von 1938.
Es ist deutlich, dass im Juli kein Korrespondent wirklich wusste, was in Čierna nad Tisou passiert war, und wie die Verhandlungen verlaufen waren. So vage die Artikel waren, so stark klafften die Einschätzungen der Kommentatoren über das Ergebnis der sowjetisch-tschechoslowakischen Verhandlungen auseinander: Sie reichten von der Einschätzung, das Treffen sei ein Erfolg für die Reformer in Prag gewesen, über die Ansicht, dass Moskau Prag in die Schranken verwiesen habe und es zu einem friedlichen Abbruch des Reformprozesses kommen werde, bis hin zu der Überzeugung, dass die Invasion nur noch eine Frage der Zeit sei. Doch spätestens Anfang August schloss keine Zeitung eine militärische Invasion mehr aus.
Obwohl sich die Spannungen zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion bereits in den Wochen zuvor deutlich in der Berichterstattung niedergeschlagen hatte, zeigten sich viele Kommentatoren im Westen von der Invasion überrascht. Das Ereignis landete in allen untersuchten westlichen Zeitungen auf der Titelseite, manche setzten dabei auf Bilder von der Invasion, andere brachten vermehrt Karikaturen. Gemeinsam ist der Berichterstattung die scharfe Verurteilung des Einmarsches. Sogar die italienische kommunistische Zeitung l‘Unità schrieb, Moskau sei zu weit gegangen. Einige Berichte verglichen die Invasion mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1939 in Polen, auch andere Vergleiche ließen nicht auf sich warten: Die Americké Listy in New York stellt Prag in eine Reihe mit München 1938, März 1939, Jalta, Teheran und Budapest 1956, in der französischen Le Monde wurden die Zustände in Prag als so drastisch beschrieben wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, und die spanische Presse verglich die Invasion mit dem Eintritt der USA in den Vietnamkrieg.
Der Grundton aller Berichte war düster. Die Journalisten, die zuvor die Hoffnung auf einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz geäußert hatten, sagten sich von dieser los und gelangten zu der Ansicht, Kommunismus und Humanismus gingen grundsätzlich nicht zusammen. Nur die englische Presse ließ einen Keim der Hoffnung aufblühen: Der Drang nach Freiheit könne nicht dauerhaft unterdrückt werden, hieß es im Guardian, und die Times hob sechs Tage nach der Invasion anerkennend die Widerspenstigkeit der Tschechoslowaken gegenüber den Eindringlingen hervor.
Auch im neutralen Österreich verurteilte die Presse den Einmarsch und sah ihn als Eingeständnis Moskaus, dass der Kommunismus nicht zu reformieren war. Somit demonstriere die Invasion eher die Schwäche der Sowjetunion als ihre Stärke. Aber in Österreich kam noch ein zweites wichtiges Thema auf: Was bedeutet die Entwicklung in der Tschechoslowakei für die Österreicher? Die Zeitungen kritisierten die Wiener Regierung, ihren Neutralitätsgrundsatz zu streng ausgelegt und sich kaltherzig gegenüber dem besetzen Nachbarland zu zeigen. Sie forderten von der Politik eine strikte Verurteilung der Ereignisse.
Wie nicht anders zu erwarten, könnte die Darstellung in den Medien der Sowjetunion und der Warschauer-Pakt-Staaten nicht gegenteiliger sein. In Ungarn druckten zwei Zeitungen den Brief mit der „dringenden Bitte um Hilfe“ – einschließlich der Hilfe durch bewaffnete Kräfte – an die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Staaten prominent auf ihren Titelseiten und übernahmen in ihrer Berichterstattung weitgehend die sowjetische Sicht. In der DDR-Presse wurde erstmals auch Dubček kritisiert und die Invasion mit Genugtuung als Niederlage des westlichen Imperialismus und Sicherung der sozialistischen Ordnung in der Tschechoslowakei charakterisiert. Die polnische Presse druckte nach der Invasion die offizielle Mitteilung der Regierung ab und listete alle „Verfehlungen“ der Tschechoslowakei und ihrer Kommunistischen Partei im Laufe des Prager Frühlings auf.
In den UdSSR-Zeitungen lag das Hauptaugenmerk auf dem vermeintlichen Hilfsgesuch der Tschechoslowakei und der mit dem Warschauer Abkommen begründeten Rechtsstaatlichkeit des Einmarsches.
Der Prager Frühling war ein zentrales Ereignis des Jahres 1968, dem die Medien große Aufmerksamkeit widmeten. Wie die Presse eines Landes darüber berichtete, hing mit der Nähe zur Tschechoslowakei, der blockpolitischen Zugehörigkeit und der Geschichte des eigenen Landes zusammen. Von den untersuchten westeuropäischen Ländern hatte etwa die Bundesrepublik Deutschland eine gemeinsame Grenze mit der Tschechoslowakei. In Italien und Frankreich gab es indessen starke Kommunistische Parteien mit Affinitäten zur Sowjetunion. Trotz dieser Differenzen ähnelten sich die Einschätzungen und Kommentare im gesamten Westblock: Zunächst kamen Hoffnungen auf, dass sich etwas verändern werde, ein neuer Ton wurde angeschlagen. Im Sommer 1968 kommentierten viele Journalisten vorsichtiger, doch komplett zerschlug sich die Erwartungen eines demokratischen Sozialismus erst mit der Invasion, die die Zeitungen ausnahmslos scharf verurteilten.
In der österreichischen Berichterstattung über das Prager Experiment war die Skepsis von Beginn an größer. Aufgrund der Nachbarschaft zwischen Österreich und der Tschechoslowakei beschäftigten sich die Journalisten aber nicht nur mit den Ereignissen in Prag, sondern erwogen auch die möglichen Auswirkungen auf das eigene Land. Eine Zeitlang stand die Befürchtung im Raum, sowjetischen Truppen könnten auf österreichisches Territorium vorrücken. Später ging es eher um den Umgang mit Flüchtlingen aus dem Nachbarland, wobei viele Journalisten der österreichischen Regierung vorwarfen, sich hinter dem Neutralitätsstatus zu verstecken, um keine klare Stellung gegen die Invasion beziehen zu müssen.
Trotz der geographischen und politischen Entfernung zwischen Spanien und Tschechoslowakei war der Prager Frühling auch für Spanien ein Thema. Hier wurde die Berichterstattung über den Prager Frühling einerseits genutzt, um indirekt Kritik an der eigenen Regierung zu üben und die Zensur zu umgehen, und andererseits, um das westliche Europa scharf zu kritisieren.
Die Berichterstattung im Ostblock unterscheidet sich gravierend von der im Westen. Die UdSSR propagierte Dubček zunächst als Kind einer revolutionären Arbeiterfamilie, doch schon bald kam die Befürchtung auf, unter seiner Führung könne sich die Tschechoslowakei vom Sozialismus sowjetischen Typs emanzipieren und auch außenpolitisch eigene Wege gehen. Informationen über die Reformen in der Tschechoslowakei brachte die sowjetische Presse zunächst nicht; erst im Sommer brach sie ihr Schweigen um dann von antikommunistischen und von westlichen Imperialisten gesteuerten Vorgängen zu schreiben, die es zu stoppen gelte. Nach sowjetischem Verständnis war die Invasion nicht nur eine Reaktion auf den Hilferuf aufrechter Kommunisten aus der Tschechoslowakei, sie entsprach auch den Verträgen innerhalb des Warschauer Pakts.
Die Berichterstattung in Polen, Ungarn und der DDR folgte im Wesentlichen dem sowjetischen Muster. In Ungarn wurden oft russische Agenturmeldungen übernommen, auch in Polen und der DDR war der Tenor derselbe.
Die emotionale Nähe zur Tschechoslowakei bei großer geographischer Distanz sorgte für zwei völlig unterschiedliche Standpunkte in der tschechoslowakischen Exilpresse in den USA: In Chicago waren die Zweifel an Dubček groß und er wurde als cleverer Vasall Russlands dargestellt. In New York dagegen weckten Dubček und die Reformen Hoffnungen auf echte Veränderungen zum Positiven.
Bemerkenswert ist, dass sich die Unterschiede in der Berichterstattung nicht nur – wie zu erwarten – zwischen West und Ost zeigten; auch die westliche Rezeption des Prager Frühlings variierte von Land zu Land, und manchmal sogar innerhalb eines Landes.