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1. Polen im Jahr 1968

1968 war in Polen ein Jahr der Proteste und Aufstände. Zu den Ereignissen, die das Jahr am gravierendsten prägten, gehörten eine politisch motivierte antisemitische Kampagne gegen die jüdische Bevölkerung Polens und Studentenproteste, die alle polnischen Großstädte ergriffen.

Der außen- und innenpolitische Rahmen für die Entwicklung des politischen Protests in Polen hatte eine wichtige Vorgeschichte im Jahr 1956. Bereits damals hatten sich in Posen die Arbeiter zu Protesten erhoben, die sich ausweiteten und die ohnehin geschwächte Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PZPR) in eine tiefe Krise stürzten. Die Bevölkerung, die auf politische Veränderungen hoffte, und die Partei, die einen Weg aus der ausufernden Krise suchte, sahen in dieser Zeit in Władysław Gomułka, die geeignete Führungsperson für einen politischen Umschwung. Allerdings stand die sowjetisch Führung Gomułka, der aus politischen Gründen inhaftiert gewesen war, mehr als ablehnend gegenüber. Doch Gomułka enttäuschte die Hoffnungen, die die Menschen in ihn setzten: Schon bald nach seinem Machtantritt endete die Tauwetter-Periode und eine Zeit der Stagnation folgte. Diese endete erst 1968 – und dafür spielten Ereignisse in Warschau eine zentrale Rolle.

Im Januar waren im Warschauer Theater die Aufführungen des Dramas „Dziady“ (Totenfeier) von Adam Mickiewicz verboten worden, die die Teilungen Polens im 18. Jahrhundert und den Widerstand gegen die russischen Besatzer thematisierten, da die Regierung das Erstarken eines kontrarevolutionären, antisowjetischen Patriotismus befürchtete. Beim Publikum war das Stück gerade aufgrund seiner beziehungsreichen Thematik ungemein beliebt. Nach der letzten Vorstellung demonstrierten junge Menschen, darunter überwiegend Studenten, unter der Parole „Freies Theater! Freie Kunst! Weg mit der Zensur!“ für eine Verlängerung der Aufführungen. Ihr Protest wurde von der Polizei brutal niedergeschlagen.

Die Regierung reagierte auf die Proteste mit dem Verweis zweier Vertreter der oppositionellen Studentenorganisation „Komandosi“ (die Elitesoldaten) von der Warschauer Universität. Die Kommilitonen standen jedoch hinter den Relegierten und organisierten am 8. März eine Kundgebung für ein Ende der Repression und die Einhaltung der in der Verfassung zugesicherten Rechte. Auch diese Demonstration wurde von der Polizei gewaltsam beendet.

Was folgte, war eine Protestwelle, die im März alle polnischen Großstädte ergriff. Ihr Charakter veränderte sich: Längst ging es nicht mehr nur eine Solidaritätsbekundung für die Warschauer Studenten, sondern um eine Demonstration gegen das kommunistische System, dem sich junge Menschen aus allen Schichten anschlossen. Die Regierungspartei PZPR versuchte diesen Aufruhr durch Großveranstaltungen zu übertönen, sie inszenierte angeblich spontane Arbeiterkundgebungen gegen die Demonstranten und zur Unterstützung der herrschenden Ordnung.

Zudem initiierte Władysław Gomułka, der Parteichef der PZPR, 1967 eine antisemitische Kampagne. Diese bildete eine Reaktion auf den Sechstagekrieg in Israel: Da die USA sich auf Seiten Israels positionierten, solidarisierte sich die Sowjetunion und mit ihr die Blockstaaten mit den arabischen Ländern.

Die Aktion kulminierte im März 1968. Gomułka beschimpfte die in Polen lebenden Juden als getarnte Staatsfeinde, die jederzeit bereit seien, Polen für Israel zu verraten. General Wojciech Jaruzelski ließ umfangreiche „Säuberungen“ in der Armee durchführen, über tausend jüdische Offiziere verloren ihre Stellen. So dienten die Konflikte im Nahen Osten zur innenpolitischen Beseitigung „unbequemer“ Elemente. Und so wurde die Verantwortung für die Unruhen nicht allein der Studentenschaft, sondern auch der jüdischen Bevölkerung Polens zugeschoben: Die „Zionisten“ seien die wahren Drahtzieher des Protests gewesen, hieß es. Gomułka verlangte, dass jeder, der Israel als seine Heimat ansehe, emigrieren solle. Aus Angst vor Ausschreitungen folgten mindestens 13 000 Menschen dieser Aufforderung. Zudem wurden Prozesse gegen die Protestierenden eingeleitet, viele von ihnen endeten mit mehrjährigen Freiheitsstrafen. Nicht zuletzt wurden die Universitäten von kritischen Köpfen und Meinungen „gesäubert“ und einer strengeren Kontrolle unterstellt.

Die geschilderten Ereignisse lösten eine Art Schockstarre in Polen aus. Die Bevölkerung war gewissermaßen gewaltsam pazifiziert worden; auch dies kann als Grund für die schwache Anteilnahme an den Geschehnissen in der Tschechoslowakei gesehen werden. Nur zwei Jahre später, Ende 1970, sollte es in Polen erneut zu Protesten kommen. Diese entglitten Gomułkas Kontrolle und hatten letztlich seinen Fall zur Folge.

 

Verwendete Literatur:

Dziurok, Adam (Hrsg.), Od niepodleglosci do niepodleglosci. Historia Polski 1918-1989, Warschau 2014.

Eisler, Jerzy, Polski rok 1968, Warszawa 2006.

Limberger, Daniel, Polen und der Prager Frühling 1968. Reaktionen in Gesellschaft, Partei und Kirche, Frankfurt am Main 2012.

Stola, Dariusz, Kampania antysyjonistyczna w Polsce 1967–1968, Warszawa 2000.


2. Land ohne Meinung

Die Darstellung des Prager Frühlings in der polnischen Presse

Das Verhältnis zwischen der Volksrepublik Polen und der Tschechoslowakei war nicht immer spannungsfrei. Wie berichtete die polnische Presse 1968 über die Entwicklungen im sozialistischen Nachbarland? Um diese Frage zu klären, wurden drei polnische Zeitungen ausgewertet.

Die Trybuna Ludu (Tribune des Volkes) galt als offizielles Presseorgan und Sprachrohr der regierenden Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR). Mit einer durchschnittlichen Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren war sie die größte und einflussreichste sozialistische Zeitung Polens. Sie sollte Parteireden und Bekanntmachungen veröffentlichen, die Partei in Wirtschaftsangelegenheiten unterstützen, über Personaländerungen informieren und die Politik kommentieren. Die sozialistische Tageszeitung Dziennik Polski (Polnische Tageszeitung), eine regionale Zeitung aus Krakau, kann als „kleine Schwester“ der Trybuna Ludu bezeichnet werden. Ihre Artikel entsprachen denen der Trybuna Ludu größtenteils aufs Wort – wiesen gelegentlich jedoch interessante feine Unterschiede auf. Als katholische Stimme wird die Wochenzeitung Tygodnik Powszechny (Allgemeines Wochenblatt) analysiert, die überwiegend Glaubens- und Kulturangelegenheiten behandelte. In einer Randspalte auf der ersten Seite gab es aber den „obraz tygodnia“, das „Bild der Woche“, der kurze Meldungen über Politik und Zeitgeschehen aus der ganzen Welt brachte. Diese zeichnen ein interessantes Bild der Ereignisse in der Tschechoslowakei im Jahr 1968, stand die katholische Zeitung der kommunistischen Ideologie doch distanziert gegenüber.

 

Dubček als Kind Moskaus

Am 6. Januar 1968 erschien in Trybuna Ludu ein Artikel zu Alexander Dubčeks Wahl. Er berichtete von der ersten Rede des neuen Ersten Sekretärs und dem Rücktritt Antonín Novotnýs. Über Dubček erfuhr der Leser erst am folgenden Tag mehr, als ein detaillierter Lebenslauf erschien. Dieser präsentierte Dubček als parteitreuen Sozialisten, der einer kommunistischen Arbeiterfamilie entstammte. Ihr gilt das Lob: Die Familie sei ohne zu zögern dem Aufruf gefolgt, das erste sozialistische Land aufzubauen und in die Sowjetunion gezogen. Dubček zeichne sich aber nicht nur durch seinen familiären Hintergrund und bisherige Karriere in der Partei aus, sondern sei vor allem ein bescheidener und selbstloser Kommunist und Arbeiter.[1] Auf seine politischen Positionen ging der Text nicht ein. Doch lässt die Charakterisierung Dubčeks vermuten, dass er dem sowjetischen Zentrum nahesteht. 

Władysław Gomułka gratulierte Dubček am 7. Januar in einer Depesche im Dziennik Polski zu seinem neuen Amt. Er wünschte ihm eine „ertragreiche Tätigkeit im Dienst für die kommunistische Partei und Nation der Tschechoslowakei“ sowie die Stärkung der tschechoslowakisch-polnischen Freundschaft und brüderliche Zusammenarbeit im Geiste des Sozialismus. Darauf folgt ein kurzer Lebenslauf Dubčeks, der seine Verdienste für den Kommunismus auflistet. Auch hier wird ein Bild von Alexander Dubček als loyaler Anhänger Moskaus gezeichnet, der in seiner Politik konsequent sowjetische Interessen vertreten werde.[2]

Der Tygodnik Powszechny brachte am 14. Januar nur eine kurze Notiz, dass der 46-jährige Dubček, bis dato Erster Sekretär der slowakischen kommunistischen Partei, zum Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) gewählt worden sei; sein Vorgänger Novotný habe weiterhin das Amt des Präsidenten inne.[3] Eine Woche später druckte die katholische Zeitung dann ein Zitat aus dem Prager „Rudé Právo“: „[…] Die Trennung der Ämter ist in den heutigen Verhältnissen ein wichtiger demokratischer Schritt. Besonders das Amt des Ersten Sekretärs verlangt nach einem verantwortungsbewussten Menschen […]“.[4] Die Auswahl dieses Zitates war interessant, denn dieses konnte als Andeutung von Dubčeks Nähe zur UdSSR gelesen werden: Novotný hatte eine Liberalisierung geduldet und musste deshalb seinen Platz für einen „verantwortungsbewussten Menschen“ räumen. Das Zitat könnte jedoch aber auch als Mahnung verstanden werden.

 

Keine Pressefreiheit für Polen

Die kommunistische Presse Polens präsentierte – wenig überraschend – eine kontrollierte Darstellung der Anfänge des Prager Frühlings, die nicht gegen die Parteilinie verstieß. Dass sich in der Tschechoslowakei Veränderungen anbahnten, sollte nicht einmal angedeutet werden. So wurde auch nicht über die Aufhebung der Zensur im März 1968 berichtet. In dieser Zeit hatte die polnische Regierung nämlich mit eigenen Problemen zu kämpfen: Es gab Proteste in den Großstädten, bei denen die Menschen ebenfalls die Freiheit der Presse forderten. Offenbar wollten die polnischen kommunistischen Machthaber die Situation nicht unnötig durch die Nachricht über die Durchsetzung eben dieser Freiheit in der Tschechoslowakei verschärfen. Damit ließe sich auch erklären, warum keine der drei analysierten Zeitungen die Spannungen zwischen Gomułka und Dubček thematisierte. Gomułka, der den Entwicklungen in der Tschechoslowakei kritisch gegenüberstand und sich rigoros für ihre Einschränkung und später für die Niederschlagung einsetzte, verachtete Dubček förmlich. Besonders deutlich drückte sich das in seinen Aufzeichnungen vom Dresdner Treffen im März 1968 aus, in denen er den Namen Dubčeks konsequent mit „p“ schrieb, also „Dupczek“ – was im Polnischen eine vulgäre Anspielung auf das menschliche Gesäß ist.[5]

Der katholische Tygodnik Powszechny publizierte zu den Ereignissen in der Tschechoslowakei im Jahr 1968 häufig Nachrichten, die in keiner anderen polnischen Zeitung veröffentlicht wurden. Sie enthielten zwar keine direkte Wertung, lagen aber auch nicht völlig auf der Linie der Partei.  Um die Zensur zu umgehen, bediente sich der Tygodnik Powszechny einer raffinierten Methode: Zur Beschreibung der Situation im Land nutzte er Zitate aus verschiedenen tschechoslowakischen Zeitungen. Darunter war auch folgender Auszug aus einem Artikel des tschechoslowakischen Vizeministers Gustav Husák: „[…] Wir wissen, was wir nicht wollen, was wir verwerfen, zu was wir nicht zurückkehren möchten. Wir wissen auch in vagen Grundzügen, was wir wollen, was wir anstreben […] Eine Meinungseinheit kann man heute nicht mehr durch Befehle erzwingen.“[6] Ohne sich selbst revolutionärer Umtriebe schuldig zu machen, spiegelt die polnische Zeitung die Geisteshaltung der Reformer in Prag wider. Bemerkenswert ist auch die aus der tschechoslowakischen Zeitung „Rudé Právo“ zitierte Äußerung der Soziologin Erika Kadlecová: „[…] die Freiheit ist unteilbar. Wenn das Recht gegen eine Gruppe von Bürgern missbraucht wird, kann niemand sicher sein, auch nicht derjenige, der das Recht missbraucht.“[7] Es zeugt von besonderem Mut, diese Sätze in Polen zu drucken, da sie als Drohung gegen die Staatsführung gelesen werden konnten. Aus ebendieser Zeitung wurde Anfang Juni auch der folgende Ausspruch Dubčeks veröffentlicht: „Wir wollen mit allen zusammenarbeiten, uns um das Vertrauen aller Bürger bemühen, zusammen mit ihnen das Land leiten, zusammen mit ihnen an seinen Erfolgen und Niederlagen teilhaben, zusammen mit ihnen für alles Verantwortung tragen.“[8] So kurz diese Zitate waren, sie vermittelten einen Eindruck von der Aufbruchsstimmung, sodass die polnischen Leser zumindest erahnen konnten, dass sich in der Tschechoslowakei gewaltige Veränderungen vollzogen.

Aufschlussreich sind auch die Meldungen, die der Tygodnik Powszechny aus der Moskauer „Pravda“ übernahm. Hier wurden etwa die Einfuhrbeschränkung von Getreide aus der Sowjetunion in die Tschechoslowakei[9] oder ein Zusammenhang zwischen dem Tod des ehemaligen tschechoslowakischen Außenministers Jan Masaryks und dem sowjetischen Geheimdienst[10] bestritten. Dank solcher Berichte, die es weder in Trybuna Ludu oder Dziennik Polski gab, konnte der Leser immerhin bestimmte Schlüsse über die Lage in der Tschechoslowakei ziehen. So macht sich die katholische Zeitung die russische und tschechoslowakische Berichterstattung zunutze, um Nachrichten zu veröffentlichen, die aufgrund der Zensur in eigenen Worten vielleicht nicht möglich gewesen wären.

 

Fähnchen im Wind

Mitte Juni 1968 änderte die polnische Presse ihre Taktik. Statt über den Prager Frühling zu schweigen, berichtete sie nun täglich über die sich zuspitzende Situation in der Tschechoslowakei. Es führte kein Weg daran vorbei: Trotz aller Versuche, sie im Dunkeln zu lassen, war die polnische Bevölkerung über die Veränderungen in Prag im Bilde. Schlagwörter wie „brüderliche Sorge“, „antisozialistischer Feind“ und „Hilfe unseren sozialistischen Brüdern“ dominierten nun die Berichterstattung. Die polnischen Zeitungen waren bemüht, die Reformbewegung zu diskreditieren ohne dabei die KSČ in ein allzu schlechtes Licht zu rücken. Je klarer wurde, dass sich die Tschechoslowakei nicht einfach dem Diktat Moskaus beugen würde, desto häufiger warnten alle drei Zeitungen voller „Sorge“ vor den antisozialistischen Entwicklungen im Nachbarland.

Auch der katholische Tygodnik Powszechny zeigte sich nun linientreuer und zitierte die „Pravda“ mit der Aussage, dass es sich beim Prager Frühling nicht um ein isoliertes Phänomen handele, sondern um die Aktivierung rechter und gegenrevolutionärer Kräfte, die zum aggressiven Angriff auf die KSČ übergegangen seien.[11] Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei war also nicht das Problem, sondern das Opfer. Dieses Bild zu untermauern, bemühte sich auch Trybuna Ludu mit Artikeln wie „Einheit und Solidarität – im Schutz des Sozialismus und Frieden“[12], „Strategie des Imperialismus und die ČSSR“ [13] und „Angriff auf die sozialistischen Grundlagen der Tschechoslowakei“[14]. Doch nicht nur in der Tschechoslowakei witterte Trybuna Ludu die Verschwörung reaktionärer Kräfte. Sie zeigte sich auch von der Annäherung zwischen der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik Deutschland alarmiert und behauptete, der Bonner Regierung ginge es primär darum, sich ein Standbein in der ČSSR zu schaffen um die Politik dort von innen heraus zu beeinflussen.[15]

Nach dem Warschauer Treffen Mitte Juli 1968 verfassten die Teilnehmer – Bulgarien, die DDR, Polen, Ungarn und die Sowjetunion – einen gemeinsamen „Drohbrief“, der den Druck auf die tschechoslowakische Regierung erhöhen sollte. Die Leitfrage, die das Schreiben stellte, wirkte beinahe fürsorglich: „Genossen, seht ihr diese Gefahren nicht?“[16]. In der polnischen Berichterstattung waren dieser Brief und die Reaktionen darauf ein wichtiges Thema. Am 27. Juli veröffentlichte Trybuna Ludu die Radioansprache Dubčeks, in der er Stellung dazu bezog. Er erklärte, seinen außenpolitischen Kurs nicht ändern zu wollen. Dieser sei von der Bruderschaft mit den anderen sozialistischen Staaten bestimmt – und solle es auch bleiben. Dubček äußerte außerdem die Hoffnung, in den bevorstehenden Gesprächen in Čierna nad Tisou alle Unklarheiten im Verhältnis mit der Sowjetunion aus dem Weg räumen zu können.

Um ein Bild der Tschechoslowakei als einem Land, in dem chaotische Verhältnisse herrschten, hervorzurufen, veröffentlichte Trybuna Ludu noch während des Treffens in Čierna nad Tisou einen Artikel der russischen „Pravda“. Dieser warf der ČSSR vor, sich auf Abwegen zu befinden und zitierte antisozialistisch anmutende Sätze, deren Veröffentlichung bereits Monate zurücklag. Darunter etwa: „[…] Wir behaupten nicht, dass noch unsere Generation im Kommunismus leben wird. In Wirklichkeit wollen wir einen ‚demokratischen Sozialismus‘“[17], „Wir sind keine marxistische Partei… Wir sprechen uns für die Schaffung eines eigenen, tschechoslowakischen Sozialismus aus […] Als Ausgangspunkt werden wir immer die Ideen Masaryks nehmen.“[18]

Trotz spärlicher Berichte vermittelte die polnische Presse den Eindruck, dass die Gespräche in Čierna nad Tisou nicht in freundschaftlichem Geist abliefen. Statt wie üblich von einer „brüderlichen Atmosphäre“ zu sprechen, wurden Begriffe wie „ehrlich“ und „parteilich“ gebraucht. Nach Abschluss des Treffens druckte der Trybuna Ludu eine gemeinsame Bekanntmachung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPSS) und der KSČ ab, in der ein Folgetreffen in Bratislava angekündigt und von den einvernehmlichen Entscheidungen der beiden Parteien berichtet wurde. Danach wurde für eine Weile wesentlich milder über die Tschechoslowakei berichtet. Themen waren etwa die Dankbarkeit der Tschechen und Slowaken gegenüber der KPSS, der Erfolg der Gespräche in Bratislava und der so erreichte Schlag gegen die antisozialistischen Kräfte. Doch schon während dieser kurzen Phase Ende Juli, in der sich eine Entspannung anzudeuten schien, betrieben die polnischen Zeitungen eine gezielte Meinungsbildung um einem möglichen militärischen Eingreifen der Sowjetunion und der Truppen des Warschauer Paktes atmosphärisch den Boden zu bereiten.

Ein Artikel im katholischen Tygodnik Powszechny stach inhaltlich deutlich heraus: Drei Tage vor der Invasion erörtert sein Autor Jan Musierowicz auf der ersten Seite unter dem Titel „Die Tschechoslowakei am Vortag des Föderalismus“ die Krise in der Tschechoslowakei. Diese sei vom Zusammenleben von Tschechen und Slowaken in einem gemeinsamen Staat ausgelöst worden und habe sich durch die Ereignisse und Umbrüche des Jahres 1968 verstärkt. Um den Konflikt zu verdeutlichen, folgt ein ausschweifender Überblick über die Geschichte beider Nationen. Der Fokus liegt dabei auf den Gründen, aus denen in der ČSSR bisher kein Föderalismus möglich gewesen war. Zugleich würdigt der Autor den offenen Umgang der Tschechoslowakei mit der Föderalisierung.[19] Die sozialistische Presse schrieb in diesen Tagen – im Einklang mit dem offiziellen sowjetischen Tenor – gegen die politischen Entwicklungen in Prag an. Dennoch beschloss die katholische Wochenzeitung Tygodnik Powszechny, die sich bis dahin mit eigenen Einschätzungen zurückgehalten und ausschließlich auf Zitate anderer Zeitungen gesetzt hatte, einen eineinhalbseitigen Artikel zu veröffentlichen, der auch lobende Worte für die neue politische Ausrichtung der Tschechoslowakei fand. War das der Versuch eines Schulterschlusses mit den katholischen Glaubensbrüdern in der Slowakei? Drückte sich hier die Hoffnung aus, eine größere Autonomie würde es den Slowaken ermöglichen, ihren katholischen Glauben offener und ohne Behinderung durch die überwiegend kirchenfernen Tschechen zu leben?

 

Allzeit hilfsbereit

In identischem Wortlaut erschien am 21. August die offizielle Erklärung der polnischen Regierung zur Invasion in Trybuna Ludu und Dziennik Polski, die den Einmarsch legitimieren sollte. Die Parteifunktionäre der Tschechoslowakei hätten sich an Polen, die Sowjetunion und andere Verbündete gewandt und sie gebeten, dem tschechoslowakischen Bruderstaat zu helfen – auch militärisch. Außerdem wurde der Tschechoslowakei in der Trybuna Ludu vorgeworfen, sie habe sich nicht an die Abmachungen von Čierna nad Tisou gehalten, alle schädlichen Polemiken und Presseattacken zu verhindern. Es folgte eine mit Beispielen versehene Auflistung aller Verfehlungen der tschechoslowakischen Presse. Ungewöhnlich ist jedoch die Wendung, die der Artikel nimmt: Statt die Schuld ganz der KSČ zuzuschieben, werden die Vorwürfe teilweise abgeschwächt und auf die erstarkten antisozialistischen Kräfte abgewälzt.[20] Der Fehler liegt also nicht im System, nicht in der Partei, sondern bei den Staatsfeinden. Auch Dubček spielt keine Rolle in der Berichterstattung über die Invasion. Präsident Svoboda hingegen ist in diesen Tagen der Ruhepol – er wird in Trybuna Ludu wie ein Vater beschrieben, der sein aufgebrachtes, verschrecktes Volk beruhigt und Frieden stiftet und so zum Vorbild stilisiert. Möglicherweise deshalb, weil er sich dem Druck Moskaus zwar nicht bedingungslos fügte, aber dennoch mit der UdSSR verhandelte.[21] Als weitere Rechtfertigung für die Invasion wurde am 22. August der Aufruf der Parteifunktionäre der ČSSR an die Tschechoslowaken und Bruderparteien veröffentlicht: Eine feindliche antisozialistische Kraft habe sich ins Land eingeschlichen und den Sozialismus gefährdet. Der Aufruf endete mit den Worten „Es lebe und erblühe die demokratisch sozialistische Tschechoslowakei!“[22]

Keine der drei vorgestellten Zeitungen berichtete realitätsnah über die Geschehnisse nach dem Einmarsch in der Tschechoslowakei. Die Ernsthaftigkeit der Situation wurde heruntergespielt, so heißt es im Tygodnik Powszechny etwa: „Die feindlichen Vorgehen fanden Ausdruck im Organisieren von provokativen Erhebungen auf den Straßen, in der Verbreitung von boshaften Gerüchten und Behauptungen, im Auswurf von verleumderischen Flugblättern.“[23] Zugleich wurde die Invasion als notwendiges und positives Ereignis dargestellt, eine Deutung, die mit der Übernahme von Kommentaren aus der Presse anderer kommunistischer Länder untermauert wurde. Man belächelte die „feindlichen“ westlichen Mächte, vor allem aber die Politik der Bundesrepublik Deutschland: Ihr Versuch der Einflussnahme und Zerstörung des Kommunismus sei missglückt.[24] Und das nicht allein in der Tschechoslowakei: Schließlich habe die Sowjetunion in der Vergangenheit auch Polen „gerettet“. Deutschland, so die Botschaft, war und bleibt der gemeinsame Feind – während des Zweiten Weltkriegs wie 1968.

 

Schuld ist nicht der Kommunismus

Die polnische Berichterstattung über den Prager Frühling stellte Alexander Dubček nicht in den Mittelpunkt. Selbst nach der Invasion wurde er nie persönlich angeprangert oder für die Ereignisse in der Tschechoslowakei verantwortlich gemacht. Auch die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei wurde nie diskreditiert, sondern nur dazu angehalten, die antisozialistischen Kräfte im Land zu bändigen und wachsam zu sein. Auch nachdem ihr das nicht gelungen war, blieb die Kritik verhalten.[25] Diese Art von „damage control“ war notwendig, um die weiterhin führende Rolle der KSČ in der Tschechoslowakei zu legitimieren. So erschien der Prager Frühling in Trybuna Ludu, Dziennik Polski und Tygodnik Powszechny hauptsächlich als Resultat der Arbeit von Feinden innerhalb und außerhalb des Landes.

Was bei der Analyse der polnischen Presse auffällt, ist die Abwesenheit eigener Einschätzungen der Entwicklung in der Tschechoslowakei. Gomułka als entschiedener der Befürworter der Invasion wird ebenso wenig thematisiert wie seine Beziehung zur ČSSR und zu Dubček. Bis zum Ende übernahmen die untersuchten Zeitungen meist Kommentare aus der ausländischen Presse – überwiegend der sowjetischen „Pravda“ – wenn es um die Einschätzung und Bewertung der Akteure und des Geschehens in der Tschechoslowakei ging. Gemessen an diesen Stimmen agierte die polnische Presse zurückhaltender und weniger aggressiv. Wurden den Lesern Informationen vorenthalten, so diente dies der Rechtfertigung der polnischen und sowjetischen Politik, besonders der Invasion. Wenn die polnische Berichterstattung über den Prager Frühling sich in einem Punkt besonders hervortat, dann durch die Absenz eines eigenen Standpunktes.

 

Verwendete Literatur:

Limberger, Daniel, Polen und der „Prager Frühling“ 1968. Reaktionen in Gesellschaft, Partei und Kirche, Frankfurt am Main 2012.

 

Quellen:

Dziennik Polski

Trybuna Ludu

Tygodnik Powszechny

 

Endnoten:

[1]Trybuna Ludu, 07.01.1968, 2.

[2]Dziennik Polski, 7./8.01.1968, 1.

[3]Tygodnik Powszechny, 14.01.1968, 1.

[4] „[…]Rozdzielenie funkcji jest w dzisiejszych warunkach ważnym krokiem demokratycznym. Zwłaszcza funkcja pierwszego sekretarza wymaga odpowiedzialnego człowieka […].“ Tygodnik Powszechny, 21.01.1968, 1.

[5] Limberger, Daniel, Polen und der „Prager Frühling“ 1968. Reaktionen in Gesellschaft, Partei und Kirche, Frankfurt am Main 2012, 76.

[6] Es wird nicht genau genannt, welcher Artikel Husaks gemeint ist, lediglich: „Z artykułu czechosłowackiego wicepremiera Gustava Husaka“ [Aus dem Artikel des tschechoslowakischen Vizeministers Gustav Husak]; „[…] Wiemy, czego nie chcemy, co odrzucamy, do czego nie chcemy wracać. Wiemy również w głównych zarysach, czego chcemy, do czego dążymy… Jedności poglądów nie można dziś osiągnać przez rozkazywanie[…]“, in: Tygodnik Powszechny, 26.05.2018.

[7] „… wolność jest niepodzielna. Jeśli jest nadużywane prawo wobec jednej grupy obywateli, nie może być nikt bezpieczny, nawet ten, kto go nadużywa“, in: Tygodnik Powszechny, 26.05.1968, 1.

[8] „Chcemy współpracować z wszystkimi, ubiegać się o zaufanie wszystkich obywateli, wspólnie z nimi kierować tym państwem, wspólnie z nimi uczestniczyć w jego sukcesach i porażkach, wspólnie z nimi ponosić za wszystko odpowiedzialność.“, in: Tygodnik Powszechny, 9.06.1968, 1.

[9] „Moskiewska „Prawda“ stwierdza, że doniesienia prasy zachodniej o tym, jakoby wstrzymane zostały radzieckie dostawy pszenicy dla CzSl są kłamliwe od początku do końca.“, in: Tygodnik Powszechny, 12.05.1968, 1.

[10]Tygodnik Powszechny, 19.05.1968, 1.

[11]Tygodnik Powszechny, 21.07.1968, 1.

[12] „Jedność i solidarność - w obronie socjalizmu i pokoju“, in: Trybuna Ludu, 14.07.1968, 3.

[13] „Strategia imperializmu a CSRS“, in: Trybuna Ludu, 14.07.1968, 2.

[14] „Atak na socjalistyczne podstawy Czechosłowacji“, in: Trybuna Ludu, 12.07.1968, 2.

[15]Dziennik Polski, 17.07.1968, 1-2.

[16]Trybuna Ludu, 18.07.1968, 1-2.

[17] „Obecne czasy, to nasze czasy. My nie twierdzimy, że juz nasze pokolenie żyć będzie w warunkach komunizmu. Chcemy w rzeczywistości „socjalizmu demokratycznego“, Zitat aus „Mlada Fronta“ vom 5. April; Żukow. J., „O pewnym fałszywym haśle“, in: Trybuna Ludu, 30.07.1968, 2.

[18] „Nie jesteśmy partią marksistowską… Opowiadamy się za budową własnego, czechosłowackiego socjalizmu… Będziemy zawsze brać za punkt wyjścia idee Masaryka.“, Zitat aus „Svobodne Slovo“ von Mitte Juli; Żukow. J., „O pewnym fałszywym haśle“, in: Trybuna Ludu, 30.07.1968, 2.

[19] Musierowicz, Jan, „Czechosłowacja w przededniu federalizmu“, in: Tygodnik Powszechny, 18.08.1968, 1, 5.

[20] Kuźmiński, St.: „Nie dotrzymane zobowiązania“ [Nicht eingehaltene Verpflichtungen], in: Trybuna Ludu, 21.08.1968, 2.

[21]Trybuna Ludu, 22.08.1968, 1; Trybuna Ludu, 24.08.1968, 1.

[22] „Odezwa grupy członków KC KPCz rządu i Zgromadzenia Narodowego CSRS“, in: Trybuna Ludu, 22.08.1968, 1-2.

[23] „Te wrogie poczynania znalazły wyraz w organizowaniu prowokacyjnych wystąpień na ulicach, w rozpowszechnianiu złośliwych pogłosek i wymysłów, w rozrzucaniu oszczerczych ulotek.“, in: Tygodnik Powszechny, 22.08.1968, 1.

[24]Trybuna Ludu, 22.08.1968, 2.

[25] v.a. am 21.08.1968 wird das ganze Fehlverhalten der Presse an detaillierten Beispielen dargestellt. 

Glossar:

Čierna nad Tisou

Čierna nad Tisou – ist eine slowakische Kleinstadt im Dreiländereck zwischen der Slowakei, der Ukraine und Ungarn. Vom 29. Juli bis zum 1. August 1968 fanden in der Grenzstadt zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion bilaterale Verhandlungen zwischen Vertretern des sowjetischen Politbüros und der tschechoslowakischen Regierung statt. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Leonid Brežnev, Alexej Kossygin, Nikolaj Podgorny, Alexander Dubček und Ludvík Svoboda. Für die Sowjetunion waren die Verhandlungen der letzte Versuch, dem Prager Frühling und Dubčeks Reformkurs ohne Anwendung von Gewalt Einhalt zu gebieten. Den beiden Seiten gelang, in Čierna nad Tisou zumindest eine kurzfristige Einigung zu erreichen, die wenig später in Bratislava ratifiziert wurde.

Verwendete Literatur:

Schulze Wessel, Martin, Der Prager Frühling. Aufbruch in eine neue Welt. Stuttgart 2018, 271-280.

Dubček, Alexander

Alexander Dubček (1921-1992) – war ein tschechoslowakischer Politiker und eine der zentralen Figuren des Prager Frühlings. Dubček wuchs größtenteils in der UdSSR auf, wo sein Vater im Rahmen der „Internationalen Arbeiterhilfe“ als Tischler tätig war. In den 1930er Jahre machte er eine Ausbildung zum Schlosser. 1939 trat er der illegal gegründeten Kommunistischen Partei der Slowakei (Komunistická strana slovenska – KSS) bei und war im antifaschistischen Widerstand tätig. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann sein Aufstieg innerhalb der KSČ. 1958 vollendete er sein Studium an der Parteihochschule des Zentralkomitees (ZK) der KPdSU in Moskau mit Auszeichnung. Danach studierte er an der juristischen Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava und beschloss sein Studium mit einer sozialwissenschaftlichen Dissertation.

Am 6. Januar 1968 wurde er zum neuen Ersten Sekretär des ZK der KSČ gewählt und avancierte in der ersten Hälfte des Jahres 1968 zur Symbolfigur des Prager Frühlings. Nach dessen Niederschlagung wurde er nach Moskau verschleppt und gezwungen das "Moskauer Protokoll", das alle Reformprozess in der ČSSR beenden sollte, zu unterschreiben.

Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter distanzierte er sich nie von seinem Engagement für den Reformsozialismus. Aus der KSČ wurde er ausgeschlossen. Daraufhin war er als Aufsicht im Fuhrpark eines Forstbetriebs in Bratislava tätig, wo er bis zu seiner Pensionierung 1986 arbeitete.

Dubček unterstützte 1989 die Protestbewegung und den demokratischen Umbruch. Dass danach keine zentrale Rolle mehr spielte, lag auch daran, dass seine Person in den Augen vieler Menschen zu stark mit dem Kommunismus verknüpft war. Dennoch wurde er Parlamentspräsident, trat allerdings im Juli 1991 zurück, da er die slowakischen Abspaltungsbestrebungen nicht unterstützte.

Dubček starb am 7. Oktober 1992 an den Folgen eines Autounfalls.

Verwendete Literatur:

„Dubček, Alexander“ in: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, zuletzt abgerufen von Bayerische Staatsbibliothek Bestandsentwicklung und Erschließung 2 am 31.8.2018.

Gomułka, Władysław

Władysław Gomułka (1905-1982) – war ein polnischer Politiker. Er wurde 1949 aus der in Polen regierenden PZPR ausgeschlossen, 1956 rehabilitiert und übernahm das Amt des Ersten Sekretärs der Partei. Während seiner Amtszeit führte er einige Änderungen ein, z.B. stoppte er die Kollektivierung der Landwirtschaft. In seiner Regierungszeit stagnierte die Wirtschaft, u.a. da er sich nicht bereit zeigte, Kredite aus dem Westen aufzunehmen. Daraufhin erhoben sich in Polen Proteste. 1970, als Gomułka gerade einen großen politischen Erfolg erzielt hatte – er hatte den „Warschauer Vertrag“ mit der BRD ausgehandelt, der die Festlegung der Oder-Neiße-Grenze brachte – kam es aufgrund von zunehmenden Preissteigerungen zu blutigen Protesten, insbesondere in den Hafenstädten im Norden Polens. Gomułka, der inzwischen auch gesundheitlich angeschlagen war, musste daraufhin das Amt des Ersten Sekretärs abgeben und schied aus dem Politbüro aus. Danach hatte er keine politisch wichtigen Ämter mehr inne.

Verwendete Literatur:

„Gomulka, Wladislaw“ in Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, abgerufen von Bayerische Staatsbibliothek Bestandsentwicklung und Erschließung 2 am 18.10.2018.

Komunistická strana Československa

Komunistická strana Československa (KSČ) [Kommunistische Partei der Tschechoslowakei] – war in den Jahren 1948 bis 1989 alleinige Regierungspartei in der Tschechoslowakischen Republik. Die Partei gründete sich im Mai 1921 durch die Abspaltung von der Tschechoslowakischen Sozialdemokratischen Partei (ČSSD). 1929 erfolgte die Stalinisierung. Während des Zweiten Weltkriegs war die KSČ verboten, arbeitete aber illegal weiter und stellte ein Zentrum der Widerstandsbewegung dar. Das brachte ihr nach Kriegsende viele Sympathien ein, so war sie die stärkste Kraft der 1945 gegründeten Nationalen Front und erhielt in den Wahlen von 1946 den größten Stimmenanteil. Im Februar 1948 setzte die die KSČ ihr Machtmonopol durch, es begann eine Phase der Verfolgung und Schauprozesse. 1968 strebte die KSČ unter der Führung von Alexander Dubček eine eigene Form des Sozialismus an. Die sowjetische Führung betrachtete dieses reformsozialistische Experiment als konterrevolutionär. Nach der militärischen Intervention im August 1968 wurde eine konservative, Moskau-treue Parteiführung unter Gustáv Husák eingesetzt, die einen Prozess der „Normalisierung“ einleitete. Das Machtmonopol der KSČ wurde am 17. November 1989 durch die Samtene Revolution beendet. Die heutige Nachfolgeorganisation der KSČ in Tschechien ist die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens KSČM.

Verwendete Literatur:

Malíř, Jiří & Pavel Marek (Hrsg.), Politické strany. Vývoj politických stran a hnutí v českých zemích a Československu 1861-2004 [Politische Parteien. Entwicklung der politischen Bewegungen in Böhmischen Ländern und der Tschechoslowakei 1861-2004] Bd. 2. Brno 2005.

Kommunističeskaja Partija Sovjetskogo Sojusa

Kommunističeskaja Partija Sovjetskogo Sojusa (KPSS) [Kommunistische Partei der Sowjetunion, KPdSU] – war die regierende Partei der Sowjetunion. Sie ging 1925 aus der seit 1918 existierenden Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki) hervor und verfolgte das Ziel, die marxistisch-leninistische Ideologie zu verwirklichen. Die KPdSU war eine Kaderpartei, die sich nach den Grundsätzen des sogenannten demokratischen Zentralismus organisierte. Höchstes Parteiorgan war der Parteitag, der das Zentralkomitee als Leitorgan für fünf Jahre wählte. Aus diesem gingen die beiden höchsten Entscheidungsgremien, das Politbüro und das Sekretariat des ZK, hervor. Das Machtmonopol der KPdSU wurde 1990 aufgehoben, nach dem Putschversuch vom August 1991 wurde die Partei verboten.

Verwendete Literatur:

„Kommunistische Partei der Sowjetunion“ in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 12, Kir-Lag, Mannheim 1990.

„Tschistka“ in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 22, Tep-Ur, Mannheim 1993.

Novotný, Antonín

Antonín Novotný (1904-1975) – war ein tschechoslowakischer kommunistischer Politiker, Generalsekretär der KSČ und von 1957 bis 1968 zugleich der Präsident der Tschechoslowakei. Er stammte aus einer Prager Arbeiterfamilie. 1921 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei. Von 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war er im Konzentrationslager Mauthausen inhaftiert. Nach seiner Entlassung wurde er Mitglied des Zentralkomitees der KSČ und folgte Klement Gottwald 1953 im Amt des Ersten Sekretärs. In den 1960er Jahren wuchs die Kritik an seiner rigiden Politik und seiner Person. Am 5. Januar 1968 wurde er als Parteichef von Alexander Dubček abgelöst. Am 22. März musste er auch von seinem Präsidentenamt zurückzutreten. Sein Nachfolger war der General Ludvík Svoboda. Im Juni gab er unter Druck auch seine Position im Zentralkomitee der KSČ auf und zog sich aus dem politischen Leben zurück. Während der Normalisierung wurde seine Mitgliedschaft im Zentralkomitee zwar erneuert, Novotný erreichte aber keinen nennenswerten Einfluss mehr.

Verwendete Literatur:

Jan Rataj (Hrsg.), Československo v proměnách komunistického režimu [Die Tschechoslowakei im Wandel des kommunistischen Regimes]. Praha 2010.

Polska Zjednoczona Partia Robotnicza

Polska Zjednoczona Partia Robotnicza (PZPR) [Polnische Vereinigte Arbeiterpartei] – war eine kommunistische Kaderpartei; zwischen 1948 und 1989 hatte sie in der Volksrepublik Polen das Machtmonopol inne. 1948 aus dem Zusammenschluss der Polnischen Arbeiterpartei [Polska Partia Robotnicza] und der Polnischen Sozialistischen Partei [Polska Partia Socjalistyczna] entstanden, wurde Polen zur Volksrepublik transformiert – unter anderem wurde die Planwirtschaft eingeführt und die Landwirtschaft kollektiviert. In Phasen wirtschaftlicher Stagnation gab es in der Partei zwar Reformwille, doch erst 1980 wurden ernsthafte Versuche unternommen, tiefgreifende Veränderungen durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte der Partei bereits der Rückhalt in der Bevölkerung. Als im Jahr 1989 Wahlen zugelassen wurden, fand die PZPR nur wenig Zuspruch. Sie löste sich 1990 selbst auf.    

Verwendete Literatur:

Schneider, Hubert, Noch ist Polen nicht verloren?! Vorbedingungen, Ergebnisse und Probleme der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung 1918-1990, in: Bonetsch, Bernd & Manfred Grieger, Was früher hinterm Eisernen Vorhang war. Kleine Osteuropakunde vom Baltikum bis Bessarabien, Dortmund 1991, 116-136.

Svoboda, Ludvík

Ludvík Svoboda (1895-1979) – war ein tschechoslowakischer General und von 1968 bis 1975 Staatspräsident der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Während des Ersten Weltkriegs desertierte er an der Ostfront aus der österreich-ungarischen Armee und schloss sich der tschechoslowakischen Legion in Russland an. Während des Zweiten Weltkriegs war er Befehlshaber des ersten tschechoslowakischen Bataillons, das  an der Seite der Sowjetunion gegen das nationalsozialistische Deutschland kämpfte. In der Nachkriegstschechoslowakei war er Verteidigungsminister und kurzzeitig stellvertretender Ministerpräsident. 1950 wurde er von diesem Amt abberufen, vor Gericht gestellt und inhaftiert. Seine Rehabilitierung erfolgte 1954. Svoboda, der große Popularität in der Bevölkerung genoss, wurde am 30. März 1968 zum tschechoslowakischen Präsidenten gewählt. Nach der Invasion der Warschauer-Pakt-Staaten befahl er der tschechoslowakischen Armee, keinen Wiederstand zu leisten und setzte sich dafür ein, dass Alexander Dubček und die anderen in Moskau festgehaltenen Reformpolitiker wieder freikamen. Anders als diese blieb er im Amt. Er war bis 1975 Präsident der Tschechoslowakei.

Verwendete Literatur:

Jan Rataj (Hrsg.), Československo v proměnách komunistického režimu [Die Tschechoslowakei im Wandel des kommunistischen Regimes], Praha 2010.

Warschauer Pakt

Warschauer Pakt – gegründet am 14. Mai 1955 unter der Bezeichnung „Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ und auch Warschauer Vertragsorganisation genannt. Der Vertrag trat am 4. Juni 1955 in Kraft. In ihm sicherten ie kommunistischen Mitgliedsstaaten Albanien, Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und Ungarn einander gegenseitige militärische Unterstützung zu. Damit stellte der Warschauer Parkt eine Gegenallianz zur westlichen North Atlantic Treaty Organization (NATO) dar. Formaljuristisch waren alle Mitglieder gleichberechtigt, de facto hatte die Sowjetunion das militärische Oberkommando. Diese nutzte den Vertrag auch zur Stationierung von Truppen in den Mitgliedsstaaten, um die eigenen Interessen dort besser durchsetzen zu können. Der Warschauer Pakt bestand bis 1991.

Verwendete Literatur:

„Warschauer Pakt“ in: Brockhaus Online.